„Um an der Spitze zu bleiben, müssen wir jetzt Vollgas geben“

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Im Videointerview mit POSITION: die Digitalisierungs- und Lernexperten Dario Schramm (Jahrgang 2000) und Alexander Powell (Jg. 1994) von simpleclub. Ersterer war zuletzt Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz © Jens Schicke
Wie lernen junge Menschen am besten? Über Vorteile und Herausforderungen digitaler Angebote sprach POSITION mit zwei jungen Männern, die es wissen müssen: Dario Schramm, bekannt geworden als ehemaliger oberster Schülersprecher Deutschlands, und Alexander Powell, Vice President bei der Lernplattform simpleclub.
Tonia Sorrentino
Tonia Sorrentino
Journalistin für Recruiting & Human Ressources © Anna Schwartz

Wie hat sich das digitale Lernen verändert ?

Alexander Powell : Die Branche ist seriöser geworden. Digitale Lerninhalte stammen heute von unterschiedlichen Plattformen, die rein auf das Lernen abzielen – nicht mehr von Entertainment-Seiten wie YouTube, die ihre Nutzer möglichst lange dort halten wollen. Präsenz- und digitales Lernen werden immer öfter kombiniert : ein Mit- statt ein Gegeneinander.

Was macht digitales Lernen effizient und nachhaltig ?

Powell : Zwei Kernthemen, die zusammenwirken : Inhalte müssen den individuellen Bedürfnissen der Nutzenden entsprechen. Ein 17-jähriger Azubi schaut sich nicht freiwillig per Video eine mehrere Jahre alte Frontalveranstaltung an, auch wenn das Thema stimmt. Er muss sich den Content ansehen wollen. Der zweite Aspekt ist die Usability. Apps und Websites müssen reibungslos funktionieren und passende Inhalte vorschlagen. So sind wir es längst aus anderen Bereichen gewöhnt. Die App soll uns sagen, was wir können müssen, und es uns beibringen. Ein Beispiel : Mag ich Flugzeuge, verstehe ich Matheaufgaben mit Flugzeugbeispielen besser. Das ist ein großer Vorteil zum bisherigen Frontalunterricht : Lehrende müssen einer großen Gruppe dasselbe Thema in derselben Zeit beibringen, dabei hat jedes Gruppenmitglied andere Voraussetzungen. Digitale Angebote können diese berücksichtigen.

Dario Schramm : Spaß und Interesse an den Lerninhalten sind essenziell. Digitalisierung kann Content besser in den persönlichen Alltag der Lernenden integrieren und so eine größere Akzeptanz schaffen. Man muss sich zum Lernen nicht mehr drei Stunden an den Schreibtisch setzen. Niederschwellige Apps ermöglichen das zwischendurch und unterwegs. Und sie helfen, die beste Lernstruktur anhand von festen Vorgaben oder im eigenen Rahmen zu finden.

Wo liegen Herausforderungen des digitalen Lernens ?

Schramm : In der praktischen Integration. Oft wird trotz offensichtlicher Vorteile des digitalen Lernens lieber an bestehenden Strukturen festgehalten. Man muss schauen, wo und wie sich das Verbesserungspotenzial umsetzen lässt. Zudem fehlen bisher deutschlandweite Datenschutz-Normen. Das macht Unternehmen und Bildungseinrichtungen skeptisch. Wir setzen uns für verbindliche Regelungen ein.

„Konkret wird nicht jeder Mensch eine einzige Lern-App nutzen, sondern sich eine Sammlung zusammenstellen, zum Beispiel passend für verschiedene Unterrichtsfächer.“

Alexander Powell

Welche Tipps geben Sie Ausbildern in Sachen digitale Lerninhalte ?

Schramm : Zunächst braucht es eine höhere Motivation, sich mit dem Thema zu befassen – da steht der Bildungssektor gegenüber anderen Bereichen zurück. Es geht darum, Wege zu finden, um die Vorteile des digitalen Lernens besser zu erkennen und praktisch umzusetzen. Die Schüler, Auszubildenden und Studenten warten nur darauf, die Möglichkeiten endlich nutzen zu können.

Powell : Wir setzen auf offenen Umgang. Ein einfacher Weg in die Umsetzung ist, die Azubis zu fragen, womit sie bisher gelernt haben, und verschiedene Tools gemeinsam zu testen und zu bewerten. Digital Natives fällt der Umgang mit digitalem Content leichter. Daher wäre eine weitere Option, Auszubildenden das Recherchieren und Ausprobieren zu übertragen. Sie können es ja am besten beurteilen. So lernen sie auch, Verantwortung zu übernehmen. Sie sehen, dass sie etwas im eigenen Ausbildungsbetrieb bewirken können.

Blick in die Glaskugel : Wie sieht digitales Lernen
künftig aus ?

Schramm : Gerade im Bildungsbereich sollten Entscheidungsträger akzeptieren, dass junge Menschen diesen Weg bereits eingeschlagen haben. Wir müssen weg von theoretischen Grundsatz- und Optimierungsdiskussionen, hin zur Umsetzung. Innovationspotenzial ist unser höchstes Gut. Um an der Spitze zu bleiben, müssen wir jetzt Vollgas geben.

Powell : Digitales Lernen wird sich immer schneller fortentwickeln und weiter individualisieren. Konkret wird nicht jeder Mensch eine einzige Lern-App nutzen, sondern sich eine Sammlung zusammenstellen, zum Beispiel passend für verschiedene Unterrichtsfächer. Das ist ja das Schöne : Es gibt keine Vorgaben oder Grenzen. Die Akzeptanz ist in einigen Branchen da, dort wird fleißig ausprobiert. Mit Blick auf das Verbesserungspotenzial der Ausbildungs- und Azubiqualität wäre es ratsam, diesen Trend nicht zu verschlafen.

„Oft wird trotz offensichtlicher Vorteile des digitalen Lernens lieber an bestehenden Strukturen festgehalten.“

Dario Schramm

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