„Wir rappen auch mal gemeinsam, um Lerninhalte zu verinnerlichen“

Claudia Böschel, Autorin und Speakerin für gehirneffiziente Lehrmethoden © Tanja Elm
In jeder Lehre steckt jede Menge Lernstoff. Doch wie können Azubis den richtig abspeichern – und dabei auch noch Spaß haben? Im Interview verrät Claudia Böschel, wie Ausbildungsinhalte gehirneffizient vermittelt werden und: Warum sie dafür auch mal eine Zimtstange auspackt. Die Expertin hat Ratgeber zu Themen wie Gedächtnistraining und Mnemotechniken veröffentlicht und unterstützt Ausbildungskräfte dabei, Lerninhalte abwechslungsreich aufzubereiten.
Agnes Mayer
Agnes Mayer
Freelancerin © Klaus Satzinger-Viel

Viele Auszubildende sind wahrscheinlich erstmal froh, die Schulzeit hinter sich zu lassen und wollen sich im praktischen Berufsleben ausprobieren. Aber auch in einer Ausbildung gibt es viele wichtige Lerninhalte. Wie gelingt es, die Azubis bei der Stange zu halten, damit sie gerne und motiviert lernen?

Claudia Böschel: Lernen ist enorm mit Emotionen verknüpft. Junge Menschen nehmen einem nur etwas ab, wenn man vorher eine Beziehung aufgebaut und sich kennengelernt hat. Die Azubis wollen sich gesehen fühlen. Als Ausbilder muss ich also jeden Einzelnen und jede Einzelne erst einmal knacken. Das ist ein individueller Prozess. Es bringt nichts, nur Fachwissen zu vermitteln, wenn man nicht gleichzeitig auch Zeit in die Beziehungsarbeit steckt. Besonders wichtig ist es, die Azubis ernst zu nehmen. Dazu gehört auch, sie zu siezen.

Wie lässt sich selbst trockenstes Wissen einprägsam aufbereiten?

Wenn jemand in der Ausbildung doch wieder Mathe lernen muss, obwohl man das Fach loshaben wollte, bilden sich häufig Widerstände. Dann hilft es, über klare Ziele zu sprechen: Wo siehst du dich mit der Ausbildung später? Außerdem lässt sich alles Wissen immer mit praktischen Fällen aus der Ausbildung verknüpfen. So zeigt man, wofür man etwas konkret braucht und was passiert, wenn man einem Fehler macht. Ein anderer Ansatz geht über den Alltag und die Interessen dieser jungen Menschen. Man kann zum Beispiel Umsatzzahlen mit dem Einkommen von Beyoncé vergleichen. Wir rappen auch gerne mal gemeinsam, um Lerninhalte zu verinnerlichen.

Wie bleiben Ausbildungsinhalte besser im Gedächtnis?

Mnemotechniken sind dafür hervorragend. Alle Gedächtnisweltmeister arbeiten damit. Dazu muss man verstehen, wie das Gehirn funktioniert. Das geht nicht nach dem Motto: Lese den Text einmal durch, dann ist er gespeichert! Das Gehirn braucht Bilder. Indem man Lerninhalte visualisiert, macht man zwar einen Umweg, kommt aber trotzdem schneller ans Ziel.

Gedanklich kann man sie etwa in einem Raum wie der Werkstatt oder dem Büro ablegen, auf der Werkbank, am Fenster, an der Tür und so weiter. Wenn man sich dann diesen Raum vorstellt und durchgeht, erinnert man sich an die damit verknüpften Inhalte.

Was gilt für Azubis, die sich schwer konzentrieren können und schnell abschweifen? Wie kann man ihre Konzentrationsfähigkeit verbessern?

Ich habe nichts gegen Handys, aber sie lenken zu oft ab. Gerade beim Lernen verwischen dadurch Inhalte und werden nicht mit dem Gehirn gekoppelt. Wichtige
Dinge sollte man daher nicht kurz vor der Pause vermitteln, in der die Azubis gleich wieder zum Handy greifen. Stattdessen sollte man diese Zeit für kleine Koordinations- oder Konzentrationsübungen nutzen. Auch bestimmte Düfte unterstützen die Konzentration. Ich habe dafür oft eine Zimtstange im Gepäck.

In Zeiten des Fachkräftemangels fällt es Unternehmen schwer, überhaupt Azubis zu finden – und wenn, dann sind das nicht immer die mit den Einser-Noten und den besten Zeugnissen. Wie kann man lernschwache Auszubildende unterstützen?

Oft kommen solche Azubis schon mit einem gewissen Stempel. Man schaut auf die Defizite und nicht auf das, was die Person sonst noch mitbringt und gut kann. Wenn ich diese Ressourcen in den Vordergrund stelle und dadurch die Azubis motiviere, können sie solche Defizite leichter ausgleichen. Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt des Gesprächs: der Beziehungsarbeit.

Und was ist mit Auszubildenden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und die noch keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben?

Oft bringen diese Menschen ein gewisses Sprachniveau mit, in einem allgemeinen Kurs sind sie dann schlecht aufgehoben. Schließlich sind in jedem Ausbildungsberuf andere Fachbegriffe wichtig. Stattdessen ist es sinnvoll, über Einzelunterricht die persönlichen Lücken herauszufinden und dort anzusetzen. Dafür reicht in der Regel eine Einheit pro Woche. Das hilft enorm, und das Geld ist gut investiert. Denn auch für die Auszubildenden ist es eine zusätzliche Motivation, wenn sie merken: Ich bin es meinem Chef wert!


5 Tipps für gehirneffizientes Lernen und Lehren:

 

    • Mit vielen Bildern: Wer visualisiert, macht anderen das Lernen leichter. Nur einen Film ablaufen zu lassen, reicht dafür nicht aus – vor allem, wenn man etwas auch persönlich zeigen kann.

    • Um mehrere Ecken: Gedankliche Umwege bringen uns schneller ans Ziel. Wer zum Beispiel die einzelnen
      Stufen eines Prozesses erklärt, kann dies anhand der Körperteile zeigen – von den Füßen bis zum Kopf.

    • Auf einem Bein: Der Gleichgewichtssinn hat einen enormen Einfluss auf das Gehirn. Daher kann man das Gedächtnis trainieren, indem man auf einem Bein steht oder balanciert.

    • Durch etwas Bewegung: Wenn man beim Erklären nicht starr vor den Azubis steht, sondern alle fünf Minuten den Platz im Raum wechselt, bleibt das Gesagte besser haften. Kleine gemeinsame Bewegungsübungen unterstützen das zusätzlich.

    • Mit festen Ritualen: Wer Konzentrationsübungen in seinem Ausbildungsplan zu bestimmten Zeiten wiederholt, schaff damit Rituale. Diese können dann Azubis übernehmen, um sich eigenständig auf Prüfungen vorzubereiten. .

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