Von Anfang an konnte sich Ace Colin Springefeld für Stoffe begeistern, für Nadel und Faden, Scheren und Nähmaschinen. Nicht nur, weil es ihm Freude macht, den Stoff zwischen den Finger zu spüren und zu sehen, wie aus Roh-Stoff Schritt für Schritt etwas Neues wird. „Man kann auch anderen eine Freude bereiten damit“, sagt er. Er habe deshalb nie daran gezweifelt, dass es für ihn richtig war und ist, sich zum Textil- und Modeschneider ausbilden zu lassen. Wären da nur nicht die Acht-Stunden-Tage gewesen…
Die nämlich haben dem 21-Jährigen aus Weimar zu schaffen gemacht. Von Anfang an. „Mir ging es psychisch mit dem ganzen Stress von acht Stunden nicht so gut“, sagt Springefeld. Immer wieder sei ihm übel geworden, habe er Kopfschmerzen bekommen. Drei Monate lang ging das so, bis, sagt Springefeld, „die Sozialpädagogin eine Idee hatte“.
Diese Idee kommt den Männern und Frauen bei der Jugendberufsförderung in Erfurt immer wieder, wenn sie merken, dass es jungen Menschen, die bei ihnen lernen, mit der Ausbildung nicht allzu gutgeht: Statt die Betroffenen in Vollzeit weiter auszubilden, wird ihre Ausbildung in Teilzeit fortgesetzt. „Der ganz große Vorteil ist, dass die Auszubildenden dann in der Regel auch erfolgreich abschließen und nicht abbrechen“, sagt die Ausbildungsleiterin der gemeinnützigen Gesellschaft, Sandra Vogt. „Es bringt ja nichts, wenn der Nachwuchs, den ich mir heranziehen möchte, irgendwann hinschmeißt.“
Überhaupt sieht Vogt wie auch der Geschäftsführer der Jugendberufsförderung, Axel Stellmacher, eigentlich nur Vorteile bei Teilzeitausbildungen – für alle Seiten. Selbst, dass sich nach ihren Angaben die Ausbildungszeit für die Lehrlinge in Teilzeit grundsätzlich auf das bis zu eineinhalbfache verlängert, ist aus ihrer Sicht kein Nachteil. „Das nimmt den Druck raus, auch für den Ausbilder“, sagt Stellmacher. Um wie viel genau sich die Ausbildungszeit bei einer Teilzeitausbildung verlängert, wird nach Angaben von Vogt und Stellmacher jeweils individuell berechnet.
Im Fall von Springefeld ist die tägliche Ausbildungszeit von einstmals acht auf sechs Stunden reduziert worden. Er habe nur ein ärztliches Attest vorlegen müssen, in dem ihm bescheinigt worden sei, dass er sich nur sehr schlecht einen vollen Arbeitstag lang konzentrieren könne. Das Übrige sei sehr unkompliziert gewesen, sagt Springefeld. „Seitdem geht es mir viel besser.“ Kopfschmerzen? Übelkeit? „Seitdem ist so was nicht mehr aufgetreten.“
Die Angst etwa von Teilzeitauszubildenden, dass Arbeitgeber sie weniger wertschätzen könnten als Vollzeitlehrlinge, ist im Fall von Springefeld ganz sicher und in vielen anderen Fällen sehr wahrscheinlich unbegründet. „Arbeitskräfte sind inzwischen ein knappes Gut“, sagt Stellmacher – und wiederholt damit einen Satz, der so oder so ähnlich von Kiel bis nach Sont-hofen, von Aachen bis Dresden zu hören ist. „Nicht zuletzt das sorgt dafür, dass Unternehmen sich heute auf Dinge einlassen, die sie früher nicht gemacht hätten.“
Aus Sicht von Katrin Sergejew kommt es sowieso weniger auf die Art der Ausbildung als auf den Menschen dahinter an. Und dessen Motivation. Sie ist Modedesignerin und Inhaberin des Labels kaseee. In ihrer Schneiderei in Apolda hat Springefeld inzwischen mehrere Praktika absolviert. Sie habe keinerlei Bedenken gehabt, ihn bei sich arbeiten zu lassen, sagt Sergejew. „Ich hatte schon Vollzeit-Azubis, die waren weniger engagiert als Ace.“
„Teilzeit” – Was heißt das konkret?
Das Einverständnis des Ausbildungsbetriebes vorausgesetzt, kann eine Berufsausbildung teilweise oder in Gänze mit einer verringerten Arbeitszeit absolviert werden; ein Anspruch auf Teilzeitausbildung hat der Lehrling allerdings nicht. Die Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit darf nach Paragrafen 7a des Berufsbildungsgesetzes 50 Prozent einer Vollzeitausbildung nicht übersteigen.
Bei einer Teilzeitausbildung verlängert sich die Gesamtdauer der Ausbildung entsprechend – höchstens bis zum Eineinhalbfachen der regulären Ausbildungsdauer. Bei einer regulär dreijährigen Ausbildung darf die Teilzeitvariante also maximal viereinhalb Jahre in Anspruch nehmen.
Die Berufsschule des Auszubildenden ist an eine im Ausbildungsvertrag vereinbarte Teilzeit nicht gebunden; das heißt, zwischen Betrieb, Auszubildendem und Berufsschule muss im Einzelfall abgestimmt werden, wie der schulische Anteil der Lehre absolviert wird.
- Für wen? Teilzeitausbildungen eignen sich z.B. für jungen Menschen, die schon Eltern sind und Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen, sowie für Flüchtlinge (siehe Kasten „Teilzeitausbildung als Chance für Vereinbarkeit und Integration“), aber auch für jungen Menschen mit psychischen oder physischen Einschränkungen.
- Der Vertrag. Wird eine Teilzeitausbildung nach Abschluss des Ausbildungsvertrages vereinbart, muss diese Änderung des Ausbildungsvertrages bei der zuständigen IHK zur Genehmigung und Eintragung eingereicht werden. Auch bei allen weiteren Fragen rund um diese Ausbildungsform sind die IHKs der richtige Ansprechpartner. www.ihk.de
- Die Vergütung. Wird eine Teilzeitausbildung vereinbart, reduzieren sich auch Ansprüche auf Ausbildungsvergütung und Urlaub. Wenn zum Beispiel die wöchentliche Arbeitszeit um 25 Prozent reduziert wird, kann auch die Vergütung um 25 Prozent reduziert werden. Die IHK Berlin bietet auf ihrer Webseite einen Teilzeitrechner an, um solche Fragen zu klären.
„Ich bin davon überzeugt, dass man flexibel auf die Bedürfnisse seiner Beschäftigten eingehen muss, um seine Fachkräfte zu sichern. Die Teilzeitausbildung ist bei uns die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Reinform.“
Steffen P. Würth ist geschäftsführender Gesellschafter der Straub-Verpackungen GmbH und Vizepräsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg
„Die Teilzeitberufsausbildung war für uns eine gute Möglichkeit, einer alleinerziehenden Mutter aus Syrien den Einstieg ins Berufsleben neben der Integration und der Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen.“
Manuela Engel-Dahan ist Geschäftsführerin der Lock Your World GmbH & Co. KG und Mitglied im NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge.
„Es bringt ja nichts, wenn der Nachwuchs, den ich mir heranziehen möchte, irgendwann hinschmeißt. „
Sandra Vogt, Ausbildungsleiterin
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