Die Kommunikation als „Stiefkind“?

Vor allem junge Menschen sehen sich heutzutage weniger mit ihrem Arbeitgeber verbunden und wechseln häufiger den (Ausbildungs-)Betrieb als in früheren Zeiten. Unternehmen, die gut kommunizieren, können sich einen Wettbewerbsvorteil sichern.
Siynet Spangenberg, Thilo Kunze
Siynet Spangenberg, Thilo Kunze
© privat; DIHK/Paul Aidan Perry

In vielen Betrieben werde „wie eh und je geführt oder im Grunde nicht geführt. Vor allem die Kommunikation bleibt nach wie vor ein Stiefkind“, sagt Führungskräftetrainer Michael Hampel. Ein Resultat davon: Würden neue Mitarbeiter gewonnen, gingen die häufig nach kurzer Zeit wieder. Nach einer Studie der Haufe Gruppe verlassen 18 Prozent der neuen Mitarbeiter das Unternehmen in den ersten 100 Tagen. Im Ausbildungsmarkt ist die Situation noch deutlich angespannter. Nach den jüngst veröffentlichen Erkenntnissen des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) steigen immer mehr Azubis vorzeitig aus ihrem Ausbildungsverhältnis aus. Danach ist die Quote der Lehrlinge, die 2022 ihren Ausbildungsvertrag außerplanmäßig gelöst haben, auf 29,5 Prozent gestiegen. 2021 hatte sie noch bei knapp 27 Prozent gelegen. Vielfach setzten die jungen Menschen ihre Ausbildung allerdings anderswo fort, stellt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) klar. Gleichzeitig würden Vertragslösungen jedoch vergebliche Investitionen von Ausbildungsbetrieben und vielfach auch Enttäuschungen bei Unternehmen und jungen Menschen bedeuten, gibt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, zu bedenken. „Eine frühzeitige und gezielte Berufsorientierung kann hier wirkungsvoll vorbeugen.“

Den Sinn im Job definieren

Neben einem guten Gehalt und Aufstiegschancen suchen Menschen laut Hampel in diesen Zeiten vor allem nach Beteiligung: Sie wollen Teil des Erfolgs, Teil der Lösungen sein und informiert werden, an welchen Themen im Unternehmen gearbeitet wird. Das gebe dem eigenen Job mehr Sinn und schaffe Klarheit über den persönlichen Beitrag zur Entwicklung von Lösungen. Wer da als Führungskraft lediglich Zahlen vorgibt und seinen Leuten ihre Fehler auflistet, der verliere diese. Angesichts der weltweit vielen Krisen sei es vielleicht der vordringlichste Job, Mitarbeitern ihre Angst zu nehmen. Angst? „Ja, mehr als 50 Prozent der Belegschaft fürchtet sich laut der Plattform Headspace mindestens einmal die Woche vor dem nächsten Arbeitstag“, führt Hampel weiter aus. Nun sei zwar Angst grundsätzlich ein sinnvolles Gefühl, weil sie uns vor dem Eingehen großer Risiken bewahrt, unsere Vorfahren vor Säbelzahntigern und anderen Feinden schützte.

Ängste nehmen

Kontraproduktiv aber werde Angst, meint Hampel, wenn es um Angst vor dem Versagen im Job geht, darum, die Anerkennung in der Gruppe zu verlieren oder eine Aufgabe nicht zu schaffen, Fehler zu begehen, von der Führungskraft oder dem Chef zur Schnecke gemacht zu werden. Passiert das, sinke die Motivation auf null, werde jede Fahrt in den Betrieb zur Qual und seien die Mitarbeiter schon am Montagmorgen mit ihren Gedanken im Wochenende. Negative Führungskultur kann sogar zu ernsten psychischen Erkrankungen beitragen. Die stehen nach dem DAK-Gesundheitsreport mittlerweile ganz oben bei den Ursachen für Krankschreibung und Frühverrentung.

Auch die Führungskräfte, darunter Ausbildungsleiter, hätten Angst, so Hampel weiter. Etwa davor, nicht gemocht zu werden, die von der Geschäftsleitung gesetzten Ziele nicht zu erreichen, Azubis zu verlieren. Ganz schlimm werde es, wenn die Angst der Mitarbeiter und der Führungskräfte sich gegenseitig hochschaukelt. „Man traut einander nicht mehr über den Weg, die einen resignieren, die anderen bauen Druck auf. Logisch, dass so die Leistung insgesamt abnimmt.“

Junge Leute wollen mehr

Vor allem die sogenannte Generation Z, die ab 1995 Geborenen, sind nicht mehr bereit, in einer Atmosphäre der Angst zu arbeiten. Ihre Loyalität zum aktuellen Arbeitgeber schwindet schnell – und in der Krise noch schneller. Sie fühlen sich nicht mehr so an einen Arbeitgeber gebunden, wie das die Eltern und Großeltern getan haben. Entsprechend sensibel wird auf eine als ungerecht empfundene Behandlung reagiert oder auf fehlende Wertschätzung. Die jungen Leute wüssten „um die Bedeutung ihrer Qualifikationen, und das werfen sie offensiv in die Waagschale“, so Hampel. „Und: Sie fordern Work-Life- Balance ein.“

Mitarbeiter als Teil der Lösung

Was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeistert und bindet, sei im Grunde klar, meint Hampel und nennt: konstruktives Feedback, Anerkennung, Eingebundensein, Zuversicht und das Wissen, wo es hingehen soll. Dieses Wissen werde dennoch häufig schlicht ignoriert. Das sei ein Mindset des Stillstands. Teamleiter, die intelligent führen, bereiten dagegen ihre Leute auf die drastischen Veränderungen vor, welche die Arbeitswelt bereits erreicht haben, ja, sie machen sie zum Teil der Lösung anstehender Probleme – und schaffen so gemeinsame Erfolgserlebnisse, erörtert der Experte weiter. In jeder Branche gebe es solche modernen Führungskräfte. Nur Unternehmen, die ihre Führungskultur zeitgemäß gestalten, „sind in der Lage, ihr Team professionell zu führen, insbesondere durch Krisenzeiten, und ans Unternehmen zu binden“.

„Der Mensch ist grundsätzlich vorsichtig und in Krisenzeiten noch vorsichtiger. Veränderungen führen zu einem inneren Widerstand“, erläutert Hampel. Führen heute heiße deshalb, gegen diese Trägheit und gegen Ängste anzuarbeiten. Es sei wichtig, jeden Einzelnen dort abzuholen, wo er gerade steht. Sorgen etwa um die Zukunft des Unternehmens oder auch wegen des Wohlstandsverlusts müssten ernst genommen werden. Kommunikation darüber, was die Unternehmensleitung gerade entwickelt, um zukunftsfähig zu bleiben, sei deshalb unabdingbar.

Fokus auf das Positive

Sehr wichtig ist für Hampel eine Fokussierung auf das Positive. Das gelte immer und vor allem in der Krise. Die Führungskräfte sollten zwar nichts schönreden, aber auch keine Panik verbreiten. Wenn sie selbst Optimismus ausstrahlen, werde sich das auf die Mitarbeiter übertragen. Die hätten den Anspruch, mitgenommen zu werden auf die Reise in eine zwar ungewisse, aber auch spannende Zukunft. Transparenz würden sie erwarten, ehrliche Information sowohl über die Lage des Unternehmens, dessen mittel- und langfristige Ziele, aber auch darüber, was sie selbst beitragen können, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Aufs Individuum eingehen

Rational und emotional intelligente Führung hat einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist Hampel überzeugt. Schließlich verbringen viele von uns nirgendwo so viel Zeit im Wach-Zustand wie an ihrem Arbeitsplatz. Fühlen sie sich dort wohl, kommt das dem Unternehmen zugute, aber auch ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit. „Und das wiederum sorgt für einen sinkenden Krankenstand sowie eine starke Bindung an den Betrieb, was heute eine kaum zu überschätzende Bedeutung hat.“

5 Tipps für eine gute Führung – von Michael Hampel

  1. Achten Sie auf mental stärkende Führung in Form von Struktur, Klarheit, Sicherheit, Wertschätzung etc. – bei sich selbst sowie gegenüber Ihren Azubis und allen Mitarbeitern!
  2. Beginnen und beenden Sie jeden Tag selbst und mit Ihrem Team mit einer Fokussierung auf das Positive!
  3. Kommunizieren Sie klar und transparent Ihre Erwartungen – und hören Sie zu, wenn Ihre Azubis ihre Erwartungen ausdrücken!
  4. Informieren Sie über Ziele und Pläne des Unternehmens und beziehen Sie auch Ihre Azubis in die Lösung anstehender Aufgaben aktiv ein.
  5. Sorgen Sie dafür, dass ihre Azubis ihr Tun als sinnhaft erfahren!

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