„Ausbildung ist total in Ordnung“

„Ausbildung ist total in Ordnung“, sagt Ronja Ebeling
Unternehmen sollten auf die Sorgen junger Menschen eingehen, meint Generation-Z-Expertin Ronja Ebeling © Marina Weigel
Vorurteile über junge Menschen gab es zu allen Zeiten. Fest steht : Die heutigen Jugendlichen haben ganz bestimmte Erwartungen an Ausbildung, Arbeitswelt und Akzeptanz im Miteinander. Wie Ausbildungsunternehmen sie wieder besser erreichen, wollte POSITION von Ronja Ebeling wissen. Als Journalistin, Autorin und Podcasterin beschäftigt sie sich mit der Lebensrealität der sogenannten „Generation Z“.
Agnes Mayer
Agnes Mayer
Freelancerin

Zur Person. Ronja Ebeling, Jahrgang 1996, zählt sich nicht nur selbst zur Generation Z, sie spricht und schreibt auch darüber, was diese Generation bewegt. Darüber hinaus unterstützt sie mit der von ihr gegründeten, digitalen Lernplattform „Team of Tomorrow“ kleine und mittelständische Unternehmen dabei, mit individuellen Lösungen junge Mitarbeitende zu erreichen. Im April hat Ronja Ebeling ihr zweites Buch veröffentlicht. In „Work Reloaded“ fühlt sie im Gespräch mit namhaften Führungskräften wie Albrecht Hornbach (Baumarkt-Konzern) oder Sigrid Nicutta, Vorstand der Deutschen Bahn Cargo, darüber auf den Zahn, wie man dem zunehmenden Fachkräftemangel begegnen kann.


Immer häufiger bleiben Ausbildungsstellen unbesetzt, stattdessen zieht es viele junge Menschen an die Hochschulen. Warum ist eine Ausbildung für sie nicht mehr attraktiv?

Ronja Ebeling : Es ist absurd, dass wir uns jetzt diese Frage stellen müssen. Das Problem ist hausgemacht. Akademische Berufe haben einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft, Ausbildungsberufe wurden dagegen jahrzehntelang abgewertet – auch in den Unternehmen selbst. In vielen ist die Voraussetzung für bestimmte Positionen oder Gehaltsklassen ein Uni-Abschluss. Solche Unternehmen haben selbst dafür gesorgt, dass niemand mehr eine Ausbildung machen will.

Wie können Unternehmen dem entgegenwirken?

Unternehmen müssen vermitteln: Deine Ausbildung ist total in Ordnung, und du kannst mit den entsprechenden Weiterbildungen dieselbe Gehaltsentwicklung haben wie ein Kollege oder eine Kollegin mit akademischem Background. Es gilt, gewisse Anforderungen wieder zurückzuschrauben, die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben.

Sind vielleicht auch die Ausbildungsgehälter zu niedrig?

Ein häufiges Vorurteil ist, dass junge Menschen unrealistische Gehaltsforderungen stellen. Wenn wir jedoch in die Portemonnaies dieser jungen Menschen schauen, gibt es laut paritätischem Wohlfahrtsverband ein Armutsrisiko. Davon betroffen sein können auch Azubis, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen und unter anderem die Miete alleine stemmen. Die Mieten sind jedoch inzwischen horrend, gerade in den Großstädten und Ballungszentren. Junge Menschen brauchen heutzutage einfach mehr Geld, um über die Runden zu kommen.

Welche Lösungen gibt es hierfür?

Das können ganz einfache Maßnahmen sein, zum Beispiel dass man junge Menschen in ihrer finanziellen Bildung unterstützt. Das muss ein Betrieb gar nicht alleine machen, sondern kann sich mit mehreren Unternehmen in einer Region zusammenschließen und alle paar Wochen für ihre Mitarbeitende – und damit meine ich alle, nicht nur die jungen – Finanzkurse anbieten. Das ist ein niedrigschwelliger Ansatz, aber so geben Unternehmen eine gewisse finanzielle Sicherheit.

Und wenn man als Unternehmen weiterdenkt…

Große Konzerne wie Volkswagen stellen jungen Menschen Wohnungen zu einem vergünstigten Mietpreis zur Verfügung. Aber auch der kleine Mittelstand kann da ansetzen. Es gibt viele Unternehmer kleinerer Betriebe, die für die eigene Altersvorsorge in Immobilien investiert haben. Wieso also dort nicht die eigenen Azubis vergünstigt wohnen lassen, damit diese keine plötzlichen Mieterhöhungen zu befürchten haben?

Lohnt sich das überhaupt, wenn viele ihre Ausbildung wieder abbrechen?

Die extrem hohe Abbruchsquote in Deutschland hängt oft damit zusammen, dass Azubis und Unternehmen unterschiedliche Erwartungen haben und diese nicht von Anfang an offen kommuniziert wurden. Es liegt weniger daran, dass junge Menschen nicht mehr belastbar sind. Wenn wir uns anschauen, welche Menschen das betrifft, zieht sich das durch alle Altersschichten. Wir alle bewegen uns seit Jahren in einem Krisenmodus. Junge Menschen nehmen diese Krisen viel akuter wahr, weil sie ein anderes Medienverhalten haben. Sie sind 24/7 auf ihrem Handy davon umgeben und identifizieren sich mit den Geschichten auf Social Media, die Betroffene im gleichen Alter dort zeigen. Das nimmt einen anders mit, als wenn man jeden Abend für wenige Minuten die Tagesschau einschaltet.


Ronja Ebelings Drei-Punkte-Plan, um Ausbildungsstellen zu bewerben

  • Ausbildungsinhalte erklären: Viele junge Menschen fühlen sich nach dem Schulabschluss vom Angebot erschlagen und schlecht beraten, was ihre beruflichen Möglichkeiten angeht. Unternehmen sollten daher in erster Linie erklären, was der Beruf überhaupt beinhaltet und wie die Ausbildung abläuft.
  • Zukunftschancen aufzeigen: Was, wenn ich diesen Beruf erlerne und er bald wegdigitalisiert oder – automatisiert wird? Viele junge Menschen machen sich deshalb Sorgen. Als Betrieb kann man sie ihnen nehmen, indem man darauf eingeht, warum der Ausbildungsberuf gerade in Zukunft noch wichtig ist.
  • Vorbilder entwickeln: Wer echte Mitarbeitende auf Social Media zeigt, hat enorme Chancen, Berufe greifbarer zu machen. Neue Azubis lassen sich am besten gewinnen, wenn man die eigenen Mitarbeitenden mit Elan und Herzblut über ihren Arbeitsalltag sprechen lässt. Nichts ist authentischer. Daher auch möglichst auf Stockfotos verzichten!

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