Inhalte, Methoden, Stellenwert: Lernen ist nicht mehr wie früher. Unsere Welt ist anders. Sie ist „VUCA“. Aus dem Englischen übersetzt: schnelllebig (volatile), unsicher (uncertain), komplex (complex), mehrdeutig (ambiguous). „Inzwischen beeinflussen unser Lernen enorm viele Faktoren von außen. Schnelllebigkeit und kürzere Technologiezyklen sind nur zwei Beispiele für den massiven Wandel in den vergangenen Jahren“, sagt Christoph Kunz, Global Head of Vocational Education and Training bei der Siemens Energy. 2020 begann der Konzern, ein neues Ausbildungskonzept zu etablieren. „Gerade in Unternehmen hat Lernen heute eine weitaus größere Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit. Individual-, Sozial- und Methodenkompetenz gewinnen neben Fachkompetenzen an Relevanz.“
Zudem passiere Lernen nicht jenseits des Jobs, sondern mittendrin. Unternehmen müssten Mitarbeitende in die Lage versetzen, jetzt agil die Fähigkeiten aufzubauen, die sie morgen bräuchten. „Mitarbeitende müssen verstehen, dass sie selbst an ihren Kompetenzen arbeiten müssen. Dass ihnen niemand mehr fertiges Wissen vorgibt.“ Da komme Eigenverantwortung ins Spiel: selbst reflektieren, einschätzen und umsetzen, um den Wandel mitzugehen – ein ganzheitlicher Ansatz, den auch Siemens Energy verfolge. Schritt eins dazu ist: Lust aufs Lernen machen.
Lernen soll Spaß machen
„Wir lernen jede Sekunde unseres Lebens, ob wir wollen oder nicht“, sagt Lerntrainerin Victoria Stübner. „Dann aber soll es auch Spaß machen.“ Dadurch werde Lernen effizient. „Ausbilder sollten junge Menschen in die Lage versetzen, mit Freude zu lernen. Die kommt, wenn sie wissen, wie Lernen für sie selbst am besten funktioniert, was sie dafür brauchen.“ Zum Lernen zu motivieren bedeute, die eigene Geschichte zu erzählen: von Erfahrungen, Frust, Erfolgen. „Diese Vorbildfunktion kann junge Menschen inspirieren. Womöglich geben sie eines Tages auch weiter, wie sie die Freude am Lernen entdeckt und sich daraufhin ihren Erfolg erarbeitet haben.“
Eine Ambivalenz sieht Stübner darin, dass unter anderem im Rahmen des Gamification-Trends oft nur die besten Ergebnisse gelobt würden, ähnlich den Besten-Ehrungen. „Natürlich sollten diese Leistungen gefeiert, dabei aber diejenigen nicht vergessen werden, die den größten Lernsprung gemacht haben. Auch diejenigen, die sich durchgebissen haben und von einer sechs auf eine drei gekommen sind, können Vorbilder sein.“ Wesentliche Grundlage für lebenslanges Lernen: „Ein Lernfortschritt ist immer ein Erfolg. Egal, was für ein Ergebnis man erzielt.“ Fehler machen sei dabei übrigens essenziell. „Das ist ein sehr effektives Lernen.“
„Ausbilder sollten junge Menschen in die Lage versetzen, mit Freude zu lernen.“
Victoria Stübner, Lernberaterin
Einen weiteren wichtigen Aspekt erfolgreichen, kontinuierlichen Lernens nennt Christian Bosowski, Leiter Personalentwicklung & Recruiting im Wuppertaler KNIPEX-Werk: „Grundvertrauen. Nur mit der Überzeugung, dass der Arbeitgeber gesund und stark ist und in Krisenzeiten nicht am Mitarbeitenden spart, besteht der Glaube daran, dass sich die Investition ‚Lernen‘ überhaupt lohnt.“ Mitarbeitende an selbstständiges Lernen heranzuführen, sei eine große Aufgabe, ergänzt Thorsten Herkert, Ausbildungsleiter Technik bei KNIPEX. Dabei gehe es um Offenheit und Vertrauen, dass sich die Nachwuchskräfte ausprobieren dürften, sagt Bosowski. „Daran wachsen die Azubis sehr.“