An deutschen Schulen lernen die Kinder eher, ein Gedicht aus der Romantik bis ins kleinste Detail zu interpretieren als den Umgang mit Steuern oder, wie es sich anfühlt, ein Unternehmen zu gründen. Was wie eine Stammtischparole klingt, ist für die meisten Schüler leider die Realität. Die Wirtschaftsjunioren in Deutschland haben sich vor 15 Jahren entschlossen, diesen Umstand zu ändern und riefen „Wirtschaftswissen im Wettbewerb“ (W³) ins Leben. Sieger der diesjährigen Auflage ist Constantin Hoppe aus Hohen Neuendorf in Oberhavel (Land Brandenburg). Für den 15-Jährigen kommt sein Sieg gänzlich überraschend.
Denn mit dem Thema Wirtschaft beschäftigt sich der Gymnasiast eigentlich nur am Rande. Er erzählt: „Ich mag allgemein die deutsche Sprache und speziell die Themen Politik und Geschichte. Wirtschaft gehört da irgendwie mit dazu. Ich würde das Thema aber nicht zu meinem Spezialgebiet zählen.“ Dass er sich dennoch gegen rund 20.000 andere Schüler bei diesem Wirtschaftswissenstest durchsetzen konnte, erklärt er sich mit seinem großen Allgemeinwissen und dem Interesse an aktuellen Themen.
30 Multiple-Choice-Fragen galt es beim Finale zu beantworten. Die Themen erstreckten sich von Fragen zur Wirtschaft über die aktuelle politische Lage bis hin zum Austragungsort Wernigerode im Harz. Mit Constantin Hoppe nahmen 34 weitere Sieger der Vorausscheide teil. Organisiert und durchgeführt werden die Wettkämpfe von den Wirtschaftsjunioren auf Kreis,- Landes und schließlich Bundesebene.
Die Wirtschaftsjunioren Oberhavel sind naturgemäß stolz, dass der Bundessieger aus ihrem Gebiet kommt. „Mit Constantin Hoppe hat es aus meiner Sicht genau den Richtigen getroffen“, sagt Jenny Fulde, Kreissprecherin der Wirtschaftsjunioren Oberhavel. Das Besondere: Im vergangenen Jahr waren sie selbst Gastgeber für das Finale dieses Wettbewerbs. „Wir konnten schon sehen, dass unser Kreissieger auch eine Chance auf den Bundessieg hat. Denn als ich der Lehrerin sagte, dass er gewonnen hat, war sie nicht verwundert, sondern meinte, dass er in diesem Jahr ein richtiger Überflieger ist. Bei der Siegerehrung habe ich ihn dann kennengelernt, und er machte einen sehr sympathischen Eindruck.“
Constantin Hoppe verbrachte seine ersten Schuljahre auf einer privaten Grundschule. „Die kleinen Klassen mit 15 Schülerinnen und Schülern waren zum Lernen ideal“, sagt der Hohen Neuendorfer. Bei der Wahl des Gymnasiums hatte er anschließend die Qual der Wahl. Das Rennen machte schließlich das F.-F.-Runge-Gymnasium in Oranienburg. Den Ausschlag für diese Einrichtung gab das bilinguale Angebot. Jeweils zwei reguläre Fächer werden auf Englisch unterrichtet. Daneben stehen die Fremdsprachen Französisch und Latein auf dem Stundenplan von Constantin Hoppe.
Mit der Wahl seiner Schule ist der 15-Jährige sehr glücklich. „Das ist eine modern eingerichteter Bildungsort mit vielen jungen, motivierten Lehrerinnen und Lehrern“, berichtet Constantin Hoppe. Immer wieder macht das Gefühl vom Runge-Geist die Runde, das die Schüler immer wieder zu besonderen Leistungen befähigt.
Zur Lehrerschaft gehören auch Constantin Hoppes Klassenlehrer Stephan Götz und Politiklehrerin Julia Kossiski. Die beiden unterstützten ihn auf dem Weg zum Finale und hatten in diesem Früh-jahr sogar noch mehr Erlebnisse mit ihm. Denn neben dem Finale bei Wirtschaftswissen im Wettbewerb nahm Constantin Hoppe auch am Endausscheid im Biologiewettbewerb und am Finale von „Jugend debattiert“ teil. Bei letztgenanntem erreichte er den fünften Platz in seiner Altersklasse. „Wir haben Constantin bei etlichen Ausscheiden begleitet und ihn auf die einzelnen Wettbewerbe vorbereitet“, sagt Julia Kossiski.
Sie kennt ihren Schüler seit der 7. Klasse und bemerkte gleich sein großes Allgemeinwissen und sein breites Interesse. „Ich hatte mich zwischenzeitlich gefragt, ob das alles ein bisschen viel für Constantin ist. Dann aber habe ich gemerkt, dass er das gut meistert“, so Julia Kossiski. „Der viel beschworene und sehr fördernde Runge-Geist zeigte sich auch darin, dass viele Mitschüler Constantin beim Bundesfinale von Jugend debattiert nach Berlin begleitet haben“, sagt Julia Kossiski.
Wohin ihn sein Weg später führen wird, kann Constantin Hoppe noch nicht genau sagen. „Vielleicht gehe ich in die Forschung oder in den Journalismus“, sagt er. Sein fünf Jahre älterer Bruder Johannes studiert derzeit in Potsdam Politik, Verwaltung und Organisation. Auch er hat bereits einige Erfolge vorzuweisen – allerdings auf sportlichem Gebiet. Der Schwimmer ist Norddeutscher Juniorenmeister über 50 Meter Rücken.
Sport ist auch für Constantin Hoppe ein Thema. Zweimal pro Woche geht er zum Handballtraining. Daneben interessiert er sich für die Fußballbundesliga. Er spielt Geige, Klavier und Klarinette und wenn dann noch Zeit bleibt, malt er sehr gerne. „Meistens male ich Tiere. Dabei experimentiere ich gerne mit verschiedenen Materialien“, erzählt der Schüler.
„Wirtschaftswissen ist nicht nur die Basis für den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit, sondern auch für finanzielle Souveränität“, sagte der WJD-Vorsitzende Tobias Hocke im Rahmen der Preisverleihung beim Bundesfinale in Werningerode. „Wenn Deutschland als Wirtschaftsstandort konkurrenzfähig bleiben soll, müssen wir jungen Menschen ein Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge vermitteln. Das ist auch eine Frage der sozialen Chancengerechtigkeit.“
Gut zu wissen
Friedlieb Ferdinand Runge (1794–1867), nach dem die Schule des diesjährigen W³-Gewinners benannt ist, war ein deutscher Chemiker, bekannt für seine Arbeiten zur technischen Verwertung des Steinkohlenteers. Seit 1994 gibt es einen Preis für unkonventionelle Kunstvermittlung, der seinen Namen trägt.
Mit Schulen kooperieren – Tipps für Betriebe
- Funktionierende Netzwerke bringen Wirtschaft an die Schulen. Knüpfen und pflegen Sie Kontakte zu engagierten Wirtschaftslehrern oder zur Schulleitung.
- Bringen Sie sich in die schulische Arbeit ein. Als Mitglied im Förderverein oder in der Schulkonferenz pflegen Sie Kontakte und erhalten Einblicke.
- Fragen Sie bei Ihrer IHK oder den Wirtschaftsjunioren nach Initiativen oder Kooperationen im Bereich Schule-Wirtschaft.
- Bieten Sie Betriebserkundungen und Praxistage an, und vermitteln Sie anhand Ihres Betriebes, wie Wirtschaft funktioniert.
- Regen Sie an, dass Ihre eigenen Auszubildenden oder Fachleute im Unterricht oder an Infotagen über ihre Ausbildung oder bestimmte Themen berichten.
- Nehmen Sie an Berufsorientierungstagen wie dem Girls‘ und dem Boys‘ Day teil.
- Übernehmen Sie mit Ihrem Unternehmen Patenschaften für JUNIOR-Schülerfirmen, bei denen Schülerinnen und Schülern ihr eigenes Start-up in der Schule gründen.
- Unterstützen Sie Schulveranstaltungen, bieten Sie Bewerber-Training oder Projektarbeiten an, laden Sie Lehrer in den Betrieb ein.
Infos unter www.kofa.de
Hintergrund: Wirtschaftsquiz W³
Initiatoren von „Wirtschaftswissen im Wettbewerb“ (W³) sind die Wirtschaftsjunioren Deutschland. Sie sind Mitglied im Initiativkreis des Bundeswirtschaftsministeriums „Unternehmergeist in die Schulen“ sowie im „Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland“ und treiben bundesweit Projekte für junge Menschen voran: Es gibt Gründungswettbewerbe, Unternehmensplanspiele, Bewerbungstrainings und viele weitere Initiativen der über 200 regionalen Kreisverbände der Wirtschaftsjunioren. Das Quiz W³ ist ein besonderer Höhepunkt und findet seit über 15 Jahren in Zusammenarbeit mit Schulen im gesamten Bundesgebiet statt.