Alle gleich? Bloß nicht! Mit Vielfalt zum Erfolg

Alexander Schweiger (Mitte) mit seinen Auszubildenden Temesgen Kinfe (links) und Hassan Muse (rechts)
Temesgen Kinfe (links) und Hassan Muse (rechts) absolvieren eine Ausbildung bei Diehl. Ihr Ausbilder Alexander Schweiger (Mitte) hat sich für seine Aufgaben speziell zur Betreuung von Geflüchteten schulen lassen. © Diehl Stiftung & Co.KG
Die Gesellschaft ist vielfältig. Neben den sichtbaren, äußeren Merkmalen sind Menschen auch in ihren Vorlieben, ihrem Denken und Werteverständnis unterschiedlich. Wenn sich Ausbilder auf die Vielfalt ihrer Azubis einstellen, hat das viele Vorteile – für beide Seiten.
Sabine Schritt
Sabine Schritt
Freie Journalistin

Wenn Alexander Schweiger durch das Metallwerk seines Arbeitgebers, der Diehl Gruppe in Nürnberg, spaziert und auf den jungen Mann trifft, den er vor Jahren als ersten Geflüchteten in der Ausbildung betreut hat, ist er schon sehr berührt. „Er winkt mir im Vorbeigehen strahlend und glücklich zu, und ich weiß dann, dass es richtig war und es sich gelohnt hat“, erzählt Schweiger. Man stecke viel Arbeit hinein, aber die Dankbarkeit mache alles wieder wett. Dabei ist Schweiger auch streng, denn „hier ist die Sprache Deutsch, ohne Ausnahme“. Am Ende der Ausbildung, meint er, könnten alle gut Deutsch und seien damit wirklich integriert. Von den gesamt 120 Auszubildenden im Unternehmen betreut Schweiger in seinem Fachbereich Metall rund 40 Auszubildende.

Vor sechs Jahren kam, angestoßen durch die Inhaberfamilie, der Wunsch auf, auch Geflüchtete aus Somalia, Eritrea oder Syrien auszubilden. Einerseits aus der gesellschaftlichen Verantwortung heraus, diesen jungen Menschen, die aus Not und Elend geflohen sind, eine Perspektive zu geben. Andererseits hat sich das Vorhaben inzwischen als Win-Win für alle Beteiligten herausgestellt. Es wurden schnell Freundschaften geschlossen, und „wir haben festgestellt, dass die Kulturen mit der Zeit miteinander verschmelzen“.

Vorbereitet für die erweiterten Aufgaben im Hinblick auf diese Vielfalt, hat sich Schweiger in einer Schulung speziell zur Betreuung von Geflüchteten in der Ausbildung. „Dort haben wir viel über die Hintergründe gelernt und den Umgang mit den fremden Kulturen.“ Natürlich bräuchten die Geflüchteten besondere Unterstützung, „aber auch diese Menschen sind nicht alle gleich“, betont Schweiger. So gehe er auf diese genauso individuell ein wie auf die anderen Auszubildenden und helfe auch bei privaten Schwierigkeiten. Jede und jeder in der Gruppe brächten eigene Persönlichkeitsmerkmale mit, auch seien in der Gruppe auch junge Menschen muslimischen Glaubens, die mit ihrer Kultur ebenso integriert seien und die auch die Möglichkeit zum Gebet bekämen. „Zum Zuckerfest bringen die anderen Auszubildenden alle etwas Süßes mit.“ Schweiger ist stolz auf seine Auszubildenden, „die sehr viel voneinander lernen und sich gegenseitig helfen“. Die Auszubildenden aus fremden Kulturkreisen seien sehr neugierig auf die deutsche Lebensweise. Und umgekehrt nähmen muslimische Auszubildenden an den deutschen Traditionen genauso teil. Die Geflüchteten haben übrigens alle die Ausbildung abgeschlossen und sind ins Unternehmen übernommen worden. „So haben wir auch neue junge Facharbeiter gefunden“, sagt Schweiger.

Sieben Dimensionen

„Wenn wir über Vielfalt reden, reden wir über das Prinzip der Natur, dass nicht alle Menschen gleich sind“, sagt Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Charta der Vielfalt, eine Initiative für Diversity (Vielfalt) in der Arbeitswelt, der sich inzwischen rund 4.200 Organisationen angeschlossen haben. Im Fokus stehen sieben Vielfaltsdimensionen: Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung, körperliche und geistige Fähigkeiten, Geschlecht und geschlechtliche Identität, ethnische Herkunft und Nationalität. „Wer sich als Unternehmen nicht auf diese Vielfalt einstellt, verliert großes Potenzial“, so Grohnert. Nicht nur im Hinblick auf den Fachkräftemangel. „Die Ausbildung ist das kulturelle Eingangstor des Unternehmens“, so Grohnert. Insofern habe gerade das Ausbildungspersonal eine große Verantwortung für den Unternehmenserfolg, für die Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden, aber auch letztendlich für eine prägende Kultur unserer Arbeitswelt. Doch sei Vielfalt an sich kein Allheilmittel, es gehe vielmehr um die Begegnung von Menschen in der Vielfalt. „Das ist es, was uns gemeinsam besser macht.“

„Ausbilderinnen und Ausbilder müssen diejenigen sein, die am besten ausgebildet sind, wertschätzend mit jedem Menschen umzugehen.“

Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Charta der Vielfalt

Damit dies gelingt, brauchen Ausbilder ein Rüstzeug. Dazu gehöre auch Selbstreflexion und der Abbau eigener Berührungsängste. „Ausbilderinnen und Ausbilder müssen diejenigen sein, die am besten ausgebildet sind, wertschätzend mit jedem Menschen umzugehen.“ Zu bedenken sei, meint Grohnert, dass Vielfaltsmerkmale nicht immer sichtbar sind.

Auf innere Merkmale achten

Da knüpft auch Nicole Kimmelmann an. Sie ist Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und betreut unter anderem Projekte zu Diversity-Management und ein Mentoring-Programm für Geflüchtete. „Vielfalt bezieht sich nicht nur auf äußere Merkmale, sondern umfasst auch innere Einstellungen, Werte, Vorerfahrungen, die einen Menschen prägen.“ Kimmelmann ist davon überzeugt, dass sich Ausbilderinnen und Ausbilder mit dem Vielfaltsverständnis auseinandersetzen müssen. Nur wer sich auf die vielfältigen Bedürfnisse der Azubis einstelle, werde seinen Fachkräftebedarf künftig noch abdecken können. Letztlich profitierten aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Auszubildenden selbst. „Diversity bringt die jungen Menschen mit Menschen zusammen, die anders sind. Sie erlernen den Umgang mit unterschiedlichen Menschen im Arbeitsleben und erfahren selbst Teilhabe und Chancengleichheit, indem auf ihre Bedürfnisse individuell eingegangen wird.“

„Vielfalt bezieht sich nicht nur auf äußere Merkmale, sondern umfasst auch innere Einstellungen, Werte, Vorerfahrungen, die einen Menschen prägen.“

Nicole Kimmelmann, Professorin für Wirtschaftspädagogik

Das Vielfaltsverständnis umfasst für Kimmelmann auch, die unterschiedlichen Dimensionen von Vielfalt verschränkt zu erfassen und Schubladen wie „Zugewanderte“ oder „Frauen“ aufzubrechen. „Wir sollten uns jedem einzelnen Menschen in seiner eigenen Vielfalt annähern, denn innerhalb der einzelnen Vielfaltsmerkmale finden wir wieder Unterscheidungen, je nach Erfahrungen und Lebenssituation. Einige Vielfaltsfaktoren, wie Alter, ethnische Herkunft oder soziale Herkunft haben tatsächlich einen Einfluss auf eine erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung. In Unternehmen, die ein Diversity-Konzept in ihrer Unternehmensstrategie verankert haben, werde dies unweigerlich auch im Ausbildungsbereich ankommen. Das bedeute für Ausbilder neben der eigenen Befähigung im Umgang mit Vielfalt auch, dass sie innerhalb der Gruppe der Auszubildenden eine Akzeptanz für die Unterschiedlichkeiten schaffen. Dies könne gefühlter Ungerechtigkeit oder Mobbing vorbeugen. Denn Chancengleichheit in Bezug auf Vielfalt bedeute, jeden Einzelnen individuell zu fördern. Dabei spielten neben äußeren Persönlichkeitsmerkmalen eben auch innere Merkmale eine Rolle.

Schwächen nicht ignorieren,  Stärken stärken

Friederike Fabritius bringt hier noch einen anderen Aspekt hinein. Die Hirnforscherin weiß, wie unterschiedlich Menschen empfinden, agieren und lernen, je nachdem, welche Botenstoffe im Gehirn dominieren. „Diese Neurosignaturen sind sehr aufschlussreich, wenn es darum geht, ein vielfältiges Team zu bilden und zu begleiten.“ Natürlich brauche das Ausbildungspersonal keine neurowissenschaftlichen Kenntnisse, sagt Fabritius, aber es könne für Laien hilfreich sein, sich darüber Gedanken zu machen, dass Menschen wirklich unterschiedlich ticken und jeder auf eine andere Art zum Beispiel stressresistent, neugierig oder zuverlässig ist. Das sei unter anderem darauf zurückzuführen, welche Botenstoffe im Gehirn dominieren. Ob einer wilden Idee beispielsweise auch eine konkrete Umsetzung folgen kann, hängt auch damit zusammen, wie aktiv die vier Neurosignaturen im Gehirn sind: Dopamin, Serotonin, Oxytocin und Testosteron. Wenn man es schafft, in der Gruppe einen Mix aus diesen Neurosignaturen zusammenzustellen, hat man mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr viele Stärken und Schwächen abgedeckt. „Der Grundsatz von Diversity beruht ja darauf, das beste Ergebnis zu erbringen, indem unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Stärken zusammengebracht werden. Nur so können Ideen und Innovationen entstehen, die Unternehmen brauchen.“

„Der Grundsatz von Diversity beruht ja darauf, das beste Ergebnis zu erbringen, indem unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Stärken zusammengebracht werden.“

Friederike Fabritius, Hirnforscherin

Ausbilder können laut Fabritius darauf achten, Auszubildende so zu behandeln und so einzusetzen, wie es auch zur ihrer Neurosignatur passt. Studien zeigten, dass diverse Teams im Hinblick auf die Diversität des Denkens bessere Leistung hätten als homogene Teams. Fabritius plädiert zudem für einen stärkengerechten Einsatz von Azubis. „Wenn sie die Schule verlassen, kennen viele junge Menschen eigentlich nur ihre Defizite, da diese immer noch einen großen Fokus im schulischen Alltag haben. Menschen können sich immer ändern und weiterentwickeln, doch funktioniert das am besten, wenn man Stärken stärkt.“ Die Schwächen sollten zwar nicht ignoriert werden, aber Gruppen nach komplementären Stärken und Schwächen zusammengestellt werden. „Es gibt Ausbilderinnen und Ausbilder, die ein sehr gutes Gespür dafür haben und nicht die Erkenntnisse der Hirnforschung brauchen, um intuitiv auf Menschen einzugehen und sie stärkengerecht einzusetzen“, meint Fabritius.

Die Neurowissenschaft biete jedoch Orientierung und Erklärung für individuelles Verhalten in bestimmten Situationen.


Wie Sie die Vielfalt unter den Azubis fördern können:

  • Setzen Sie die Ausbildungsteams divers zusammen.
  • Sprechen Sie Vorerfahrungen und Hintergründe der Auszubildenden immer wieder an. (Was weißt Du dazu schon? Hast Du das schon mal ausprobiert?)
  • Reflektieren Sie im Team bewusst unterschiedliche Lösungswege für eine Aufgabe.
  • Bieten Sie eigenverantwortliche Projekte an, die in heterogenen Teams bewältigt werden müssen und die alle gleichermaßen fordern, sich einzubringen.
  • Binden Sie die Auszubildenden in Innovationsprozesse des Unternehmens ein.
  • Bilden Sie diverse Arbeitsgruppen zu Spezialthemen.
  • Fördern Sie gezielt Gemeinsamkeiten. Niemand sollte sich ungesehen oder benachteiligt fühlen; individuelle Förderung muss gut kommuniziert und begründet sein.

Wie Sie Gemeinsamkeiten fördern können:

  • Betonen Sie trotz Unterschiedlichkeit die verbindenden Elemente, wie zum Beispiel der gleiche Ausbildungsjahrgang oder ähnliche Erfahrungen. Machen Sie klar, dass jeder/jede mit seiner/ihrer Persönlichkeit ein wichtiger Teil des diversen Unternehmens ist.
  • Sozialkompetenztraining und Angebote des sozialen Austausches auch jenseits des Arbeitsplatzes.
  • Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumen, um Bedürfnisse und Förderbedarfe überhaupt zu eruieren.
  • Individuelle Kompetenzentwicklungswege ermöglichen und aufzeigen.
  • Individuelles Feedback geben, das kontinuierlich, wertschätzend erfolgt und auch eine Selbsteinschätzung der Azubis umfasst. Eine Feedbackkultur, die auch eigene Ängste und Kritik zulässt und auffängt.
  • Proaktiver Umgang mit Diskriminierung und Mobbing.
  • Einbindung in eine unternehmensweite Organisations-und Personalentwicklung mit entsprechendem Leitbild, einer Kultur und Rahmenbedingungen für Diversity.

Quelle: Prof. Dr. Nicole Kimmelmann, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg


So helfen die IHKs

Verschiedene IHKs halten zahlreiche Informationen bereit, Ausbildungspersonal und Führungskräfte im Umgang mit Vielfalt im Unternehmen zu fördern. Beispiele:

Die IHKs in Bayern haben einen Leitfaden für Diversity-Management in bayerischen Unternehmen herausgegeben.
www.ihk-regensburg.de

Die IHK Rhein-Neckar bietet im Mai eine Weiterbildung Diversity Management an.
www.rhein-neckar.ihk24.de

www.ihk.de

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