Erst der Fachkräftemangel, jetzt die Corona-Krise: Für Unternehmen wird es immer wichtiger, Auszubildende im Unternehmen zu halten. Der Stellenwert des Onboardings (siehe Infokasten) nehme deshalb stetig zu, sagt Sabine Bleumortier, Geprüfte Trainerin und Beraterin aus München. Gerade die Generation Z (von 1997 bis 2012 Geborene) habe ein hohes Sicherheitsbedürfnis und strebe nach Halt und Orientierung. Das sollten Ausbildungsbetriebe bereits beim Preboarding beachten.
Gutes Gefühl schon vor dem Start
Preboarding geht dem Onboarding voraus und bezeichnet den Zeitraum zwischen der Ausbildungszusage und dem ersten Tag im Betrieb. In dieser Phase können beim angehenden Azubi viele Fragen entstehen: Gefährdet Corona meine Ausbildungsinhalte? Droht mir Kurzarbeit? Darf ich überhaupt vor Ort sein? Werde ich meinen Ausbildungsplatz verlieren? „Schon vor Ausbildungsbeginn können Betriebe viele Ängste nehmen, indem sie mit den jungen Menschen in Kontakt treten und sie zum Beispiel über Sicherheits- und Hygienemaßnahmen informieren“, sagt Bleumortier. „Schriftliche Infos kann man etwa nett mit einem Smoothie-Rezept zur Stärkung der Abwehrkräfte ergänzen oder auch mit einem Foto des neuen Arbeitsplatzes oder der Kollegen und der Botschaft, dass sich das Team auf den neuen Azubi freut.“
Wo möglich, empfiehlt die Beraterin vor Ausbildungsantritt eine persönliche oder virtuelle Kennenlernrunde, um sich gegenseitig vorzustellen, Fragen zu klären und die Örtlichkeiten zu besichtigen. Neben Ausbildern und Mitarbeitern, mit denen der Azubi künftig zu tun haben wird, und gegebenenfalls dem persönlichen Ausbildungspaten sollten Eltern oder Freunde dabei sein können. Denn seien auch sie von dem Betrieb überzeugt, verringere das zusätzlich die Absprunggefahr. Auch zum Ablauf des ersten Ausbildungstages sollte der Azubi alle relevanten Infos an die Hand bekommen, wie Bleumortier schildert: „Wann muss ich am ersten Tag wo sein, was mitbringen, wie mich kleiden? Das sind typische Fragen.“ Zudem seien Infos zu Anfahrt- und Parkmöglichkeiten sowie Infrastruktur der Umgebung hilfreich: Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie- und Freizeitoptionen für die Zeit nach Feierabend, falls der Azubi neu an den Standort ziehe.
Perfekte Arbeitsgrundlage
Ungeachtet des Preboardings rät Bleumortier, dem Azubi auch am ersten Tag im Betrieb noch einmal alle relevanten Fakten zu nennen, etwa bei einer Begrüßungsveranstaltung. „Die Generation Z erwartet in der Regel, dass dieser Tag besonders ist.“ Wer den Azubis die gewünschte Wertschätzung entgegenbringen wolle, gewährleiste die persönliche Begrüßung seitens Geschäftsführung beziehungsweise des Managements. „Dass sich auch die Chefs Zeit für den neuen Nachwuchs nehmen, zeigt, dass sie ihn ernst nehmen und ihm auf Augenhöhe begegnen.“ Die Einführung ins Unternehmen sollte Bleumortier zufolge mindestens einen halben Tag dauern – inklusive Führung durch den Betrieb bis hin zu Kaffeeküche und Raucherbereich sowie Aufklärung über das richtige Verhalten im Krankheits-, Urlaubs- oder Notfall. „Die Situation ist vergleichbar mit dem Schulanfang, alles ist ganz neu. Den Azubis nur ihre Abteilung und die anstehenden Arbeiten zuzuweisen, ist nicht ratsam.“
Bewährt hätten sich dagegen große Frühstücksrunden oder auch lockere Workshops und Schnitzeljagden, bei denen der Nachwuchs Kollegen und Betriebsabläufen näher komme. Dienstältere Auszubildende könnten diese Aktionen sogar mitgestalten. Manche Betriebe heißen ihre Azubis nach Erfahrung der Ausbildertrainerin auch mit Schultüten willkommen, in die sie Block, Stift und Kaffeetasse geben. „Andere Firmen sind noch großzügiger und verschenken zum Beispiel ein mit Namen graviertes Notizbuch, einen Einkaufsgutschein oder ähnliches.“ Doch auch ein Pflänzchen für den Schreibtisch mache Freude. „Wichtig ist, damit Wertschätzung auszudrücken.“
Die Tage vergehen, die Motivation bleibt
Nach so einem inspirierenden Start tun Firmen gut daran, den Antrieb der Nachwuchskräfte aufrechtzuerhalten. „Die Aufgaben sollten ausbildungsrelevant, spannend und abwechslungsreich sein sowie Spaß machen“, sagt Bleumortier. Auch fachlich oder persönlich ausgerichtete Trainings und Seminare hält sie für wirkungsreich: „Aber nicht im großen Block zu Ausbildungsbeginn, sonst dauert es zu lange, bis der Azubi zur praktischen Arbeit kommt.“ Was nicht gehe: stundenlange Vorträge von immer derselben Person. „Besser ist es, die Trainings über die gesamte Ausbildungszeit und auf verschiedene Sprecher zu verteilen. Auch dienstältere Azubis und Facharbeiter dürfen moderieren.“ Regelmäßige beidseitige Feedbackgespräche helfen, Diskrepanzen in der Erwartungshaltung und negativen Entwicklungen vorzubeugen. Ein unerwartet eingestreutes Lob oder ein Satz wie „Schön, dass du da bist“ schüre ebenfalls Begeisterung und ebne den Weg für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit.
Tonia Sorrentino
Onboarding – was steckt dahinter?
Der Begriff „Onboarding“, der heute oft von Personalern verwendet wird, kommt aus dem Englischen und bedeutet das „An-Bord-Nehmen“ neuer Mitarbeiter. Er umfasst alle Maßnahmen, welche die Eingliederung ins Unternehmen fördern. Laut der 3. Haufe Onboarding-Studie 2019 halten mehr als drei Viertel der befragten Personalverantwortlichen gelungenes Onboarding für geeignet, um die Anfangsfluktuation zu verringern. Für mehr als neun von zehn lässt sich damit die fachliche und soziale Integration steigern. Gerade bei Auszubildenden ist das hoch relevant.
Tipp der Redaktion: Onboarding digital
Passende digitale Tools wie Apps oder weitere Software können Ausbildungsbetriebe dabei unterstützen, das Onboarding für die Azubis interessanter und für die Verwaltung weniger aufwendig zu gestalten. Drei Beispiele sind elearnio, Haufe und Talmundo.