Sie schreiben in Ihrem Buch, dass junge Menschen heute ihre Gefühle anders äußern als frühere Generationen. Woran liegt das?
Magdalena Rogl: Junge Menschen sind heutzutage sehr viel selbstbewusster. Daraus ergibt sich auch ein stärkeres Bewusstsein für die eigenen Emotionen. Generell sind wir als Menschen alle emotional. Nur die älteren Generationen sind in einer Arbeitswelt und einer Gesellschaft aufgewachsen, in der es eher verpönt war, Emotionen zu zeigen.
Was sind die Gründe für das neue Selbstbewusstsein?
Durch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt ist ein neues Wertebewusstsein entstanden. Ausbildungsstätten finden immer schwerer geeignete Azubis. Dadurch sagen sicherlich einige: Ich lass mich nicht mehr auf alles ein! Hinzu kommt: Viele wollen sich nicht mehr nur über ihren Beruf definieren. Sie wollen sich nebenher gesellschaftlich, politisch oder ehrenamtlich engagieren – oder einfach etwas Eigenes machen. Das alles trägt dazu bei, dass ein größeres Selbstvertrauen da ist.
Immer wieder hört man: Junge Menschen sind nicht mehr kritikfähig und brechen gleich in Tränen aus…
Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Es ist einfach ein anderer Umgang mit Kritik. Die alte Arbeitswelt war so, dass man immer alles schlucken musste. Doch mit konstruktiver Kritik kann man viel mehr erreichen. Dabei sollte man nicht nur sagen, was falsch lief, sondern in einen Dialog gehen, um zu verstehen, warum der Gegenüber etwas anders gemacht hat. Als Ausbilderin muss ich ein starkes Feingefühl haben, mit welcher Person ich wie spreche und wer welches Feedback braucht.
Bei der Besetzung von Ausbildungsstellen wird eher auf Schulnoten als auf emotionale Intelligenz geschaut. Was denken Sie darüber?
Wie viel sagt eine Note über einen Menschen aus? Wichtiger ist, ob jemand wirklich zum Unternehmen passt – nicht nur zur Arbeit, die es zu erledigen gibt, sondern vor allem zu den Werten, über die sich ein Unternehmen definiert. Wenn Unternehmen zukunftsfähig sein wollen, hilft es ihnen nicht, Menschen einzustellen, die nur einen guten Abschluss haben. Sie brauchen Menschen, die fähig sind, sich weiterzuentwickeln.
Der Ausbildungsbeginn als neue Lebensphase bedeutet auch viele Emotionen. Wie holt man die Azubis dann am besten ab?
Wichtig ist, eine Augenhöhe herzustellen und gleichzeitig Sicherheit zu geben. Gute Führungskräfte sagen den Mitarbeitenden nicht nur, was sie tun sollen, sondern befähigen diese, Aufgaben selbst zu erledigen. Auf ihrem Weg zum selbstständigen Arbeiten müssen junge Menschen begleitet werden.
Sollten Autoritäten auch Emotionen zeigen?
Es geht gar nicht ohne. Eine authentische Autorität hat auch Emotionen. Der cholerische Chef, der rumschreit und Angst vermittelt, ist natürlich kein positives Beispiel. Das funktioniert, aber nur kurzfristig. Langfristig sollten Führungskräfte erreichen, dass Menschen zu ihnen aufblicken und Sicherheit verspüren. Das gelingt durch Empathie als Mensch mit Emotionen, der auch mal Schwächen zeigt. So entsteht Vertrauen, und wo Vertrauen ist, werden auch Regeln und Anweisungen angenommen.
Mit vier Tipps zu mehr (Mit-)Gefühl:
- Fokus auf den EQ: Empathie lässt sich mit entsprechenden Tests überprüfen, aber auch anhand von kleinen Dingen, etwa am Verhalten beim Bewerbungsgespräch gegenüber dem Personal am Empfang.
- Gespräche auf Augenhöhe: Um Azubis und ihre Gefühlswelten besser zu verstehen, hilft ein einfaches Nachfragen: Was brauchst du gerade? Was hilft dir weiter?
- Emotionen als Chance: Vom Selbstbewusstsein jüngerer Generationen lässt sich einiges abgucken. So können sich auch Unternehmen weiterentwickeln.
- Weinen auf Knopfdruck? Wer Gefühle zeigt, sollte dabei immer authentisch sein. Gerade junge Menschen haben ein Gespür dafür, wann etwas echt ist.