Wie umgehen mit Tränen am Arbeitsplatz?

Stress & Druck
Wenn aus Druck Tränen werden, sollte das der Ausbilder ernst nehmen
Manchmal reicht eine winzige Kleinigkeit, die das Fass zum Überlaufen bringt, manchmal steckt aber auch tiefer Kummer dahinter: Wenn der Azubi in Tränen ausbricht, dann ist der Ausbilder oder Chef gefordert, herauszufinden, was den jungen Menschen bedrückt. Was dabei zu beachten ist, verrät Diplom-Psychologe und Coach Peter Krumbach.
Melanie Bäumel-Schachtner
Melanie Bäumel-Schachtner
Journalistin

Eins vorneweg : Tränen am Arbeitsplatz nehmen zu und sind laut Peter Krumbach gar nicht mehr so selten. „Es ist salonfähiger geworden zu weinen als früher“, weiß der Experte. Dass es öfter Tränen gibt, kann ihm zufolge auch an der gestiegenen Belastung für Berufstätige liegen : Die Kommunikationsgeschwindigkeit nehme zu, die Komplexität in der Arbeitswelt, und es gebe mittlerweile eine Vielzahl von Kommunikationsmitteln, mit denen man fertig werden müsse. Also steige auch der Stresspegel. Bei Azubis komme noch dazu, dass sie unter besonderem Druck stünden, gute Noten in der Schule heimzubringen und den Abschluss möglichst gut zu meistern. „Aus Druck werden nicht selten Tränen“, bilanziert Krumbach.

Peter Krumbach
Peter Krumbach ist Diplom-Psychologe, Gründer (2003) und geschäftsführender Gesellschafter der hr-horizonte GmbH.

Erforschen, was los ist

Deshalb ist es für den Experten sehr wichtig, dass der Ausbilder oder Chef der Sache auf den Grund geht. „Was ist denn los ?“, sollte die erste Frage lauten. Es sollte herausgefunden werden, ob private oder berufliche Probleme hinter dem Ausbruch stecken oder gar man selber der Auslöser sei. Bei privaten Schwierigkeiten solle man, wenn der Azubi das möchte, zuhören, aber nicht nachbohren. Bei beruflichen Schwierigkeiten sei man gefragt, einen Lösungsansatz zu finden, mit dem gearbeitet werden kann. „Eine Fokussierung auf eine Lösung ist weit besser als Betroffenheit. Mitleid bringt den Betreffenden nicht weiter“, so der Coach. In jedem Falle solle man den jungen Menschen ernst nehmen : „Es muss etwas dahinterstecken, was ihm zu schaffen macht, sonst würde er nicht weinen.“ Allerdings sei auch die Schwelle, ab wann Tränen fließen, bei jedem Menschen entweder niedriger oder höher : „Manche sind einfach nah am Wasser gebaut.“

Eine Pause verordnen

Laut Forschung dauert es rund 90 Minuten, bis man sich in so einer Situation besser fühle. „Oft reicht aber auch schon, wenn der Kummer offen ausgesprochen wird.“ Helfen können laut Krumbach auch Kollegen. Allerdings sollten diese vorsichtig sein, ob sie den Weinenden tröstend in den Arm nehmen sollen : „Dazu muss man schon befreundet sein. Und wenn es kontrageschlechtlich ist, dann besser aufpassen. Nicht, dass einem später vorgeworfen wird, man hätte die Situation ausgenutzt.“ Besser sei es, einen Break zu verordnen. „Sagen Sie demjenigen, der weint, doch ganz einfach : Komm, wir holen uns jetzt einen Kaffee. Oder wechseln Sie mit ihm den Raum. Auch bei Kollegen sollte der Lösungsansatz im Vordergrund stehen. Und : Zuhören ist wichtig.“

Empathie am Arbeitsplatz
Viel Feingefühl ist wichtig: Chefs müssen zuhören können – und nicht immer gleich nachbohren © Adobe/Stockpressmaster

Sich ablenken und mal in den Arm kneifen

Und dann kann es auch noch passieren, dass man selber derjenige ist, der in Tränen ausbricht. „Wenn man mit dem Chef alleine ist, kann man sagen, man braucht jetzt mal eine Weile“, weiß Krumbach. Wer im Kollegenkreis weint, der kann, wenn es ihm peinlich ist, einfach mal schnell rausgehen – auf den Gang, auf die Toilette und an die frische Luft. Ein Praxistipp, den der Diplom-Psychologe gibt, ist, sich abzulenken : „Es hilft ungemein, sich auf etwas anderes zu konzentrieren – zum Beispiel auf eine berufliche Aufgabe oder auf ein schönes Erlebnis am letzten Wochenende.“ Man könne sich auch selber fest in den Arm oder das Bein kneifen. Bei manchen funktionieren laut Krumbach auch Atemtechniken gut. „Hauptsache, an etwas anderes denken“, so der Fachmann. „Dann versiegen auch die Tränen.“

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