Als das erste Smartphone vor 17 Jahren auf den Markt kam, war nicht absehbar, welchen Einfluss das Gerät auf das Leben haben würde. Mittlerweile wird es zum Surfen, Chatten, Musikhören, Fotografieren, Fernsehen, Bezahlen, als Navigationsgerät und Wörterbuch genutzt. Auch in der Ausbildung spielt der smarte Begleiter eine Rolle.
Eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt, dass 16- bis 29-Jährige täglich mehr als drei Stunden (182 Minuten) mit dem Gerät verbringen. „Smartphones sind für viele Menschen ein unverzichtbarer Begleiter“, sagt Sebastian Klöß, Bereichsleiter Consumer Technology bei Bitkom. „Ob Information, Unterhaltung oder für den Kontakt zu Freunden und Familie : Smartphones helfen uns, mit der Welt vernetzt zu bleiben, und unterstützen uns in vielen Lebenslagen.“
Das Potenzial ist noch viel größer
Auch für die schulische und betriebliche Ausbildung bietet das Smartphone viele Möglichkeiten (siehe Interview mit Mark Prévoteau). In wie vielen Ausbildungsbetrieben das Smartphone aktuell genutzt wird, ist nicht bekannt. Repräsentative Zahlen gab es zuletzt im Vor-Corona-Jahr 2019. Damals nutzten 41 % der deutschen Unternehmen das digitale Gerät, offenbarte die Befragung von knapp 1.200 Ausbildungsbetrieben durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). „Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass der digitale Wandel im betrieblichen Umfeld zwar zu beobachten ist, aber viel langsamer vonstattengeht, als es das vielfach zitierte Potenzial digitaler Medien und Werkzeuge für die Gestaltung betrieblicher Wertschöpfungsprozesse erwarten lässt“, fassen Michael Härtel und Isabel García-Wülfing, die Autoren der Studie, zusammen.
Die größte Herausforderung besteht demnach darin, dass häufig sowohl die technologische Infrastruktur fehlt als auch das IT-spezifische Know-how bei den Beschäftigen nicht vorhanden ist. Durch die Corona-Pandemie sei die online-gestützte Kommunikation zwar deutlich gestiegen. Die überwiegende Mehrzahl der Betriebe könne die Ansprüche aber noch nicht erfüllen, die eine digitale Lern- und Arbeitswelt erfordert.
Es gibt noch Unsicherheiten und Hürden
Besondere Unsicherheit herrsche in den Bereichen Medien- und Urheberrecht, Datenschutz und Datensicherheit. „Dies führt dazu, dass betriebliches Ausbildungspersonal aus Unsicherheit der Sachlage digitale Medien im Ausbildungszusammenhang noch viel zu wenig einsetzt“, so die Autoren der Studie.
Grundsätzlich ist die Einstellung zur Nutzung digitaler Geräte in der Ausbildung positiv. Zwei von drei befragten Unternehmen sind der Meinung, dass Lehrmaterialien mit digitalen Medien leichter auf dem neuesten Stand zu halten seien. Auch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Lernorten könne dadurch erleichtert werden. In der Praxis stehen für den Großteil der Firmen die möglichen Hürden im Vordergrund.
Eine der Hürden sei die fehlende Medienkompetenz der Auszubildenden. Nach Ansicht der meisten Betriebe verfügen die vermeintlichen „Digital Natives“ nicht über ausreichende Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Geräten und Medien im betrieblichen Alltag. Drei von vier Unternehmen sehen diesbezüglich Weiterbildungsbedarf bei ihren Auszubildenden.
Deutlicher Attraktivitätsgewinn durch digitale Medien
Im Jahr 2019 war für die Mehrzahl der Ausbildungsbetriebe klassische Medien wichtiger als digitale Lernformate. In Zukunft wird sich das aber stark verändern, prognostizieren die Autoren der BIBB-Studie. „Für Auszubildende wird die betriebliche Ausbildung mit einem souveränen und den Lernprozess unterstützenden Einsatz digitaler Medien einen deutlichen Attraktivitätsgewinn verzeichnen können.“ Das bestätigen die Erfahrungen von Unternehmen, die das Smartphone bereits aktiv in der betrieblichen Ausbildung nutzen.
Im Jahr 2024 scheinen Smartphones in vielen Unternehmen wie selbstverständlich dazuzugehören. So befragten die Ausbildungsberater der IHK Dresden stichprobenartig die ausbildenden Betriebe und fanden kein einziges Unternehmen, das eine Smartphone-Nutzung für Azubis verbietet. „Natürlich gibt es Betriebe, wie etwa große Unternehmen in der Halbleiterfertigung oder in medizinischen Berufen, wo derartige Geräte grundsätzlich nicht am Arbeitsplatz mitgeführt werden dürfen“, ergänzt Lars Fiehler, Geschäftsführer Standortpolitik und Kommunikation der IHK Dresden. „Das trifft dann aber auf alle zu, nicht nur auf die Lehrlinge.“
Lern-Plattformen mit wachsender Nachfrage
Anbieter von digitalen Lern-Plattformen verzeichnen spätestens seit der Corona-Pandemie eine wachsende Nachfrage. Mit der App „simpleclub“ etwa lernen monatlich mehr als zwei Millionen Schüler und Auszubildende. Aktuell stehen dort interaktive Lernformate für mehr als 35 Ausbildungsberufe zur Verfügung. Alle Inhalte orientieren sich am Rahmenlehrplan der Berufsschulen und können sowohl online als auch im Offline-Modus genutzt werden. Ausbilder haben die Möglichkeit, in der App eigene Lerninhalte vorzugeben und den Lernfortschritt der Azubis zu beobachten. Durch das Lernen mit der App haben drei von vier Auszubildenden ihre Noten verbessert, so eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar.
Mehr als 300 Unternehmen sind von dem digitalen Angebot bereits überzeugt. Eines davon ist das Logistik-Unternehmen Remondis, das zu Beginn dieses Jahres eine digitale Ausbildungsoffensive gestartet hat. Denn die Personalnot in der Branche ist groß : Schon heute fehlen 80.000 Fachkräfte. Durch den Einsatz neuester Technologien und innovativer Lernmethoden soll die Qualifizierung von Berufskraftfahrern modernisiert und für Nachwuchskräfte attraktiver gemacht werden.
Digitale Unterstützung kann in Zeiten des Fachkräftemangels auch die Ausbilder entlasten und Ausfallstunden sinnvoll füllen. Nicolai Schork und Alexander Giesecke, CEOs und Gründer der Lernplattform „simpleclub“, versprechen darüber hinaus auch einen wirtschaftlichen Vorteil. „Ein Unternehmen mit 500 Azubis würde durch simpleclub im Jahr bis zu 850.000 Euro sparen – durch Zeitersparnisse von Ausbildern, weil Unternehmen kein zusätzliches Lernmanagementsystem mehr brauchten und Nachhilfeangebote sowie betriebsinterner Unterricht reduziert werden könnten“, so die beiden Unternehmer in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Die Schattenseiten beachten
Viel praktische Erfahrung mit digitalen Lern- und Lehrkonzepten hat Studiendirektor Karsten Sieweke. Am Oberstufenzentrum in Berlin-Wedding werden bereits seit 20 Jahren neue technische Möglichkeiten in den schulischen Teil der dualen Ausbildung integriert. Das Smartphone ist allerdings erst seit wenigen Jahren im Einsatz – es dauerte, bis es WLAN für alle gab. Der Abteilungsleiter für Zahnmedizinische Fachangestellte schätzt die sofortige selbstständige Kontrollmöglichkeit, die sich Schülerinnen und Schülern durch Lern-Apps bieten, kennt aber auch die Schattenseiten. „Das selbstgesteuerte Lernen funktioniert nicht bei allen Schülern gleich gut.“ Das große Angebot der Ablenkung auf dem Smartphone sei für einige zu verlockend, „sich mit anderen Sachen zu beschäftigen als mit dem Unterrichtsgeschehen“. Die Lehrer müssen dann immer wieder appellieren, konzentriert an der Arbeit zu bleiben“, so Sieweke.
Dennoch ist das Smartphone für den Pädagogen ein wichtiges Lehrmittel. Gedruckte Schulbücher können beispielsweise nicht so aktuell sein wie eine digitale Recherche. Interaktiv sind Bücher auch nicht – aber eine sichere Bank, wenn das WLAN mal wieder ausfällt und die mobilen Daten für den Monat aufgebraucht sind. Am Ende gilt wohl trotz aller Innovationen der Klassiker : Die Mischung macht’s !
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