Mit Familien­freundlichkeit Talente finden und binden

Felicitas von Kyaw ist Geschäfts­führerin Human Resources der Vodafone Deutschland GmbH
„Moderner Arbeitgeber zu sein heißt auch, an die Familien der Mitarbeitenden zu denken.“ Felicitas von Kyaw ist Geschäfts­führerin Human Resources der Vodafone Deutschland GmbH. Mit dem „Seesternchen“ eröffnete der Düsseldorfer Kommuni­kationskonzern vor 17 Jahren die erste betriebs­eigene Kita. Bisher haben über 600 Kinder diese Einrichtung besucht. © Andreas Wiese
Ob und in welchem Umfang Mütter und Väter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, hängt maßgeblich davon ab, wie gut sich Job und Kinderbetreuung vereinbaren lassen. Wie Unternehmen ihre Beschäftigten unterstützen können und warum sich familienbewusste Angebote auszahlen, zeigt das Beispiel des Kommunikationskonzerns Vodafone.
Sylvia Rollmann
Sylvia Rollmann
Freie Journalistin © Karin Maigut

Kind oder Karriere? Viele Mütter und Väter wollen beides. Doch die schwie­rige Suche nach einem Kita-Platz, Öffnungszeiten, die nicht zur Arbeitszeit passen, Betreuungsausfälle und lange Ferienschließzeiten machen es oftmals schwer, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Wollen Eltern trotzdem berufstätig sein, braucht es Unternehmen, die ihnen dafür die richtigen Bedingungen bieten.

„Moderner Arbeitgeber zu sein heißt auch, an die Familien der Mitarbeitenden zu denken“, sagt Felicitas von Kyaw, Geschäftsführerin Human Resources der Vodafone Deutschland GmbH. „Nur wo sich Familie und Beruf vereinen lassen, kann auf Dauer etwas Gutes entstehen.“ Einen wichtigen Baustein dafür sieht von Kyaw in der betrieblichen Kinderbetreuung. „Gibt es Kitaplätze, die zu den individuellen Bedürfnissen passen, können Mütter und Väter im Job durchstarten. Findet sich aber keine verlässliche Betreuung für den Nachwuchs, gehen Talente, die wir auf dem Arbeitsmarkt so dringend brauchen, für viele Jahre verloren.“

Familienfreundliche Personalpolitik zahlt sich aus

Vodafone hat früh erkannt, dass sich familienfreundliche Personalpolitik auszahlt. Mit dem „Seesternchen“ eröffnete der Düsseldorfer Kommunikationskonzern schon vor 17 Jahren die erste betriebseigene Kita. „Damals war das in Deutschland noch die große Ausnahme. Wir waren echte Pioniere“, sagt von Kyaw. Inzwischen haben mehr als 600 Kinder das „Seesternchen“ besucht, und in der Nähe der Firmenzentrale sind weitere Tagesstätten entstanden. „Zusammen mit unserem Partner KinderHut betreuen wir mittlerweile zeitgleich 120 Kinder in drei Kitas, und auch an weiteren Standorten in Deutschland kooperieren wir mit lokalen Einrichtungen.“

Betreuung, auch für Kinder unter drei Jahren, lange Öffnungszeiten, auch in den Ferien, Notfallplätze und die Nähe zum Arbeitsplatz – dieses Angebot soll Mitarbeitenden die Rückkehr nach der Babypause erleichtern. Hinzu kommen flexible Arbeitsmodelle inklusive Homeoffice, die Freiräume schaffen, um die Aufgaben in Familie und Beruf besser erfüllen zu können. „Wir unterstützen auch finanziell, indem wir dort, wo möglich, das Elterngeld in den ersten 16 Wochen aufstocken“, betont die Geschäftsführerin. „Außerdem kann nach der Rückkehr aus der Elternzeit oder dem Mutterschutz das Arbeitspensum für sechs Monate um bis zu 25 Prozent reduziert werden – bei vollem Gehalt.“

Es geht es nicht nur um Gehalt

In Zeiten knapper Fachkräfte wird Familienfreundlichkeit zum Wettbewerbsfaktor. „Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf unterstützen, helfen, Nachwuchs- und Fachkräfte von uns zu überzeugen und dauerhaft an unser Unternehmen zu binden“, sagt die Vodafone-Geschäftsführerin. Gerade bei jungen Talenten auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder dualen Studienplatz hätten kulturelle Argumente einen hohen Stellenwert. Work-Life-Balance, Flexibilität, Zufriedenheit – „es geht längst um mehr als um blanke Gehaltszahlen“.

Das weiß auch Kirsten Frohnert, Projektleiterin des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“, das Arbeitgeber bei der Umsetzung einer familienbewussten Personalpolitik unterstützt (Interview weiter unten). „Gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind zu einem zentralen Element bei der Fachkräftegewinnung und -bindung geworden. Sie ermöglichen und fördern die Erwerbstätigkeit von Beschäftigten mit Familienverantwortung.“ Die Rede sei von rund 11,6 Millionen Müttern und Vätern, also einem Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland. Hinzu kämen 2,5 Millionen Menschen, die Angehörige pflegten. „In welchem Umfang diese relevante Gruppe einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, hängt vor allem davon ab, wie gut sich familiäre und berufliche Aufgaben vereinbaren lassen.“

So treten Arbeitgeber dem Fachkräftemangel entgegen

Mit bedarfsgerechten Angeboten könnten Arbeitgeber dieses enorme Potenzial heben und so dem Fachkräftemangel entgegentreten, betont Frohnert. Ob Betriebskita, flexibles Arbeiten, finanzieller Betreuungszuschuss oder Eltern-Kind-Büro – die Bandbreite an Möglichkeiten sei groß, und aktiv zu werden, lohne sich. „Arbeitgeber gewinnen nicht nur an Attraktivität und können offene Stellen schneller besetzen. Ihre Beschäftigten arbeiten auch motivierter und produktiver, fehlen seltener und bleiben ihnen länger treu“, so die Expertin. Auch jungen Eltern sei Vereinbarkeit wichtig, weil sie dank betrieblicher Kinderbetreuung oder einer Ausbildung in Teilzeit einen Berufsabschluss erlangen könnten. „Selbst Bewerber ohne Familien­aufgaben denken heute schon an die Zukunft. Sie entscheiden sich im Zweifel für den Ausbildungsbetrieb, der ihre Lebensplanung am ehesten unterstützt.“

Vodafone-Personalchefin von Kyaw kennt die Vorteile – und die Herausforderungen. „Für Arbeitgeber ist betriebliche Kinderbetreuung ein echter Kraftakt. Dahinter stehen riesige organisatorische, finanzielle und strukturelle Anstrengungen.“ Zwar könnten Unternehmen Mitarbeitende so gut es gehe unterstützen. „Die notwendigen Strukturen für ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot kann aber nur die Politik schaffen.“


„Vereinbarkeit darf kein Lippenbekenntnis sein“

Interview mit Kirsten Frohnert, Projektleiterin des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“

Kirsten Frohnert Unternehmensnetzwerk Erfolgsfaktor Familie
Kirsten Frohnert, Projektleiterin des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“ © DIHK/Jens Schicke

Frau Frohnert, das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ setzt sich für mehr Familienfreundlichkeit in der deutschen Wirtschaft ein. Warum ?

Die Arbeitswelt verändert sich. Der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Familienbewusste Angebote und die flexible Gestaltung von Arbeitsabläufen sind zentrale Stellschrauben, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden. Studien zeigen : Je besser es Beschäftigten gelingt, Familie und Beruf zu vereinbaren, desto mehr Fachkräftepotenzial steht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Um welches Potenzial geht es ?

Mehr als jede vierte erwerbstätige Person in Deutschland kümmert sich um minderjährige Kinder und / oder pflegebedürftige Angehörige. Für diese Gruppe ist betriebliche Familienfreundlichkeit ein Muss, um überhaupt einer Beschäftigung nachgehen zu können. Vor allem Frauen übernehmen oft die Sorgearbeit und passen ihre Erwerbstätigkeit an. Dabei würden viele gerne früher aus der Babypause zurückkehren oder ihr Arbeitspensum aufstocken. Nehmen wir zum Beispiel die 2,5 Millionen Mütter, die derzeit weniger als 28 Stunden pro Woche arbeiten. Würden sie ihre Erwerbstätigkeit durch gute Vereinbarkeit nur um jeweils eine Stunde pro Woche erhöhen, entspräche das dem Äquivalent von 71.000 neu geschaffenen Vollzeitstellen.

Vereinbarkeit ist aber kein reines Frauenthema …

Nein. Das Rollenklischee vom Vater, der das Geld verdient, und der Mutter, die das Kind versorgt, ist längst überholt. Die neue Generation von Vätern möchte mehr Zeit mit den Kindern verbringen, sich partnerschaftlich an der Erziehung beteiligen und dafür die Arbeitszeit reduzieren. Wie wichtig ihnen dieses Anliegen ist, zeigt die Tatsache, dass 450.000 Väter in Deutschland schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt haben. Unternehmen tun also gut daran, auch den Vätern individuelle Angebote zu unterbreiten.

Mit welchen Angeboten können Arbeitgeber punkten ?

Die Prognos-Studie „Familienfreundliche Arbeitgeber : Die Attraktivitätsstudie“ hat gezeigt, dass sich Mütter, Väter und Pflegende vor allem zeitliche Flexibilität für geplante Auszeiten, kurzfristige Arbeitsunterbrechungen oder Notfälle wünschen. Sehr wichtig war den Befragten auch, dass sich aus ihren Familienaufgaben keine Nachteile für die Karriere ergeben. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitgeber prüfen sollten, für welche Angebote es in ihrem Unternehmen konkreten Bedarf gibt und was der Betrieb überhaupt leisten kann und will. Oftmals sind kreative, individuelle Lösungen die erfolgreichsten.

Aber selbst das beste Angebot nutzt nichts, wenn es die Vorgesetzten und Kollegen nicht mittragen …

Völlig richtig. Vereinbarkeit darf kein Lippenbekenntnis sein. Sie muss Teil einer gelebten und klar kommunizierten Unternehmenskultur sein, die die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitenden mit Familienverantwortung und betriebliche Interessen ausbalanciert. Eine solche Kultur zu schaffen, ist ein Veränderungsprozess, bei dem alle mit ins Boot geholt werden müssen. Führungskräften kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie unterstützen und ermutigen ihre Mitarbeitenden, familienbewusste Angebote zu nutzen, gehen mit gutem Beispiel voran und steigern so die Akzeptanz.

Wer hilft Unternehmen bei der Planung und Umsetzung ?

Beim Thema betriebliche Kinderbetreuung sind die lokalen Jugendämter oder Lokale Bündnisse für Familie erste Ansprechpartner. Auch in unserem Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“, dem inzwischen mehr als 8.900 Unternehmen angehören, entwickeln und teilen wir Wissen, wie die Vereinbarkeit im Arbeitsalltag praktisch funktionieren kann. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei.

www.erfolgsfaktor-familie.de


ZAHLEN & FAKTEN

  • Knapp 5 Mio. Frauen im erwerbsfähigen Alter befinden sich weder in Arbeit noch auf Jobsuche. Als Grund hierfür geben 42 Prozent der Frauen zwischen 25 und 49 Jahren die Betreuung von Kindern und anderen Familien­angehörigen an.
  • Würden die nichterwerbstätigen Mütter mit Kindern unter sechs Jahren wie gewünscht aus der familienbedingten Erwerbspause wieder mindestens in Teilzeit in den Arbeitsmarkt einsteigen, entspräche das knapp 840.000 Personen mehr im Arbeitsmarkt.
  • Von den 5,3 Mio. erwerbstätigen Müttern mit Kind unter 18 Jahren arbeiten rund 2,5 Mio. weniger als 28 Stunden die Woche. Könnten sie durch gute Vereinbarkeit jeweils eine Stunde mehr arbeiten, wären das 2,5 Mio. Wochenstunden zusätzlich, was der Arbeitszeit von 71.000 Vollzeitkräften mit einer 36-Stunden-Woche entspräche.
  • Mütter wie Väter wünschen sich mehr Planungssicherheit für ihr Privatleben. Dazu gehören für 41 Prozent der Mütter und 34 Prozent der Väter Wechselmöglichkeiten zwischen Voll- und Teilzeit, außerdem flexiblere Arbeitszeiten (36 und 43 Prozent). Mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice wäre 26 Prozent der Mütter und 33 Prozent der Väter wichtig.
  • Auch junge Beschäftigte denken bei der Arbeitgeberwahl an eine Familiensituation in der Zukunft. 59 Prozent der befragten zukünftigen Eltern würden ihren Arbeitgeber wechseln, wenn keine betrieblichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit angeboten würden.

Quelle : Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräfte­sicherung, Policy Paper der Prognos AG im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“, Oktober 2022

Teilen Sie diesen Beitrag mit Ihrem Netzwerk

Weitere Beiträge für Sie

Lust auf Position?

Impulse, Tipps und Ideen für ihre nachhaltige Fachkräftesicherung finden Sie auch im aktuellen Heft. POSITION richtet sich in erster Linie an Ausbilder, Prüfer und Personalverantwortliche in den IHK-Mitgliedsbetrieben. Die Bestellung erfolgt über Ihre IHK oder unseren Verlag.

Keine Ausgabe mehr verpassen

Sie wollen wichtige Impulse, Tipps und Ideen für Ihre nachhaltige Fachkräftesicherung regelmäßig auf Ihrem Schreibtisch haben? Als Ausbilder, Prüfer oder Personalverantwortlicher interessieren Sie sich für die zielgruppengerechten Angebote der IHK-Organisation zur Aus- und Weiterbildung und für bildungspolitische Vorschläge?

Nutzen Sie am besten und einfachsten das nebenstehende Aboformular – auch, wenn Sie POSITION nur mal unverbindlich testen wollen. Wir melden uns dann umgehend bei Ihnen!

Kontakt zur Redaktion

Wie gefällt Ihnen POSITION? Ihre kritischen wie wohlwollenden Hinweise interessieren uns sehr! Denn nur so erfahren wir, ob wir Ihnen mit unserem Magazin den gewünschten Mehrwert liefern und was wir noch besser machen können. Auch an Ihren Themenvorschlägen sind wir jederzeit interessiert. Deshalb: Vielen Dank, dass Sie mit uns in Kontakt treten wollen! Bitte füllen Sie die nebenstehenden Felder aus. Selbstverständlich wird jede Zuschrift vertraulich behandelt.