„Wir haben etwa 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 60 Herkunftsländern“, berichtet Andreas Zimmermann, Personalchef des überregional tätigen Systemgastronomen MoschMosch. Einige starteten als Geflüchtete, andere arbeiten neben ihrem Studium, manche leben schon lange in Deutschland und bewerben sich auf Empfehlung eines Bekannten, dessen Wurzeln im gleichen kulturellen Umfeld liegen. Vereinzelt gibt es auch Erfahrungen mit gezielter Vermittlung aus dem Ausland.
Eine wichtige Voraussetzung, um das multinationale Geflecht tragfähig zu gestalten, sei Flexibilität, beschreibt Zimmermann: „Es gibt kein Patentrezept.“ Mal sei Hilfe bei der Wohnungssuche erforderlich, ein anderes Mal ein Anruf bei einer Krankenkasse oder Unterstützung im Umgang mit Ämtern: „Das kostet Zeit und Mühe, aber es ist das Saatkorn, aus dem die Bindung entsteht.“
Auf die Beschäftigten eingehen
Sprachförderung wird aktiv unterstützt. Dienstpläne ermöglichen bei Bedarf die Teilnahme an externen Sprachkursen. Sehr gute Resonanz gebe es zu einem neuen Schulungstool, das die Zubereitung der Speisen im Fokus hat, dabei aber unterschiedlicher Sprachkompetenz gerecht wird: „Früher haben wir die Rezepte ausgedruckt, und die Leute mussten sie auswendig lernen. Wir haben aber gemerkt, dass einige unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besseres Hörverständnis als Leseverständnis haben. Heute arbeiten wir mit einer App, in der Mitarbeiter Video-Tutorials zu den Rezepten ansehen können“, sagt Zimmermann. Produziert werden sie vom Unternehmen selbst. Während des Films erklärt eine Sprecher-Stimme, was gerade getan wird. Gleichzeitig erscheinen die wichtigen Infos per „Bauchbinde“ als Schrift auf dem Bildschirm.
Gegenseitiger Respekt als zentraler Wert
Einer der zentralen Werte des Unternehmens sei Respekt. Mit Blick darauf würden religiöse Unterschiede nicht problematisiert, sondern einfach berücksichtigt: „Wir bieten die Gelegenheit zum Gebet und haben Mitarbeiterinnen, die Kopftuch tragen. Wir bitten dann nur: Schau, dass es farblich zur Uniform passt.“
Jobvermittlern aus dem Ausland steht Zimmermann tendenziell skeptisch gegenüber, aus Sorge, dass die Vermittlung zu Lasten der Jobsuchenden geht – aber auch, weil die Vermittler ihre Versprechen nicht immer halten – etwa, was die Sprachkompetenz der Kandidaten beträfe.
Ein Beispiel zeigt, dass es auch anders gehen kann: Ein junger Mann kam über einen indischen Vermittler zu MoschMosch. Er lebte bereits in Deutschland, war vom dualen Ausbildungssystem überzeugt, aber nicht glücklich mit seiner Arbeitsstelle. Da er schon vor Ort war, konnte er über Kontakte Gespräche mit MoschMosch führen, und wechselte schließlich dorthin.
Bewerber beeindruckte durch viel Eigeninitiative
Marcus Böhm und Sven Honigmann von der Böhm Güterverkehrs GmbH wissen: Gute Lösungen brauchen individuelle Ansätze. Anfang 2024 fiel ihnen unter vielen Bewerbungen aus Marokko eine besonders auf. Honigmann, Leiter der Niederlassung in Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt), lud den Bewerber Youssef zum Onlinegespräch ein und war beeindruckt: „Er hat massiv überzeugt, sprach sehr gut Deutsch und hatte schon viele Vorbereitungen getroffen.“
Marcus Böhm, geschäftsführender Gesellschafter, war zunächst skeptisch. Er habe schon Bewerbungen erlebt, bei denen der Wunsch, Berufskraftfahrer zu werden, nicht echt war. Doch der junge Marokkaner überzeugte ihn mit Zielstrebigkeit: Er hatte bereits Geld für Visum und Führerscheinprüfung gespart, Deutsch am Goethe-Institut gelernt und durch seinen Vater erste fachliche Einblicke in Logistik und Werkstatt erhalten.
„Wenn jemand das Herz an der richtigen Stelle hat, dann ist der Rest egal“, so Böhm. Youssef erhielt eine Chance: Im August dieses Jahres hat er in der ostdeutschen Niederlassung des Spediteurs sein erstes Ausbildungsjahr beendet. Die Bürokratie im Vorfeld kostete allerdings einige Nerven. Obwohl Honigmann eine Vorabzusage und den Lehrvertrag nach Marokko schickte, vergingen Monate, bis die Botschaft ein Visum erteilte.
Der Aufwand hat sich gelohnt
Durch Verzögerungen konnte Youssef seine Ausbildung erst am 28. Oktober aufnehmen – und hatte damit den ersten Schulblock komplett verpasst. Mit der Unterstützung einer Mitauszubildenden und eigenem Einsatz schaffte er das erste Jahr trotzdem. „Jetzt hat er einen Notenschnitt von drei. Den anderen Auszubildenden nenne ich ihn gerne als Beispiel“, sagt Marcus Böhm: „Manchmal vermisse ich ein bisschen Wertschätzung für Bildung und Sicherheit.“ Deshalb freue er sich besonders über den jungen Marokkaner, der sich selbst während des Wartens in seiner Heimat durch Onlinekurse eigeninitiativ weiterqualifiziert habe.
Schwierigkeiten durch die unterschiedlichen Kulturen im Team empfindet man bei Böhm keineswegs. „Er kann nicht nur Deutsch, sondern versteht auch die Seitenhiebe und Witze mit den anderen Auszubildenden“, freut sich Böhm. Honigmann ergänzt: „Gerade ist er in Marokko im Urlaub. Ich habe ihm gesagt, wenn er nicht wiederkommt, komme ich ihn holen.“ Für Youssef, sagt er, hätte sich der ganze Aufwand selbst dann gelohnt, wenn es in Deutschland keinen Fachkräftemangel gäbe.
Tipps für Betriebe
BERUFSSPRACHKURSE FÜR AUSZUBILDENDE
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bietet spezielle Berufssprachkurse für Auszubildende mit Migrationshintergrund an. Diese Kurse fördern berufsbezogene Deutschkenntnisse und können parallel zur Ausbildung besucht werden. www.bamf.de/azubi-bsk
UNTERSTÜTZUNG DURCH ASAFLEX
Die Assistierte Ausbildung – flexibel (AsAflex) unterstützt junge Menschen vor und während der Ausbildung. Dazu gehören Nachhilfe, Sprachförderung, Bewerbungstrainings und sozialpädagogische Begleitung. Voraussetzung ist ein individueller Förderbedarf. AsAflex – weiterentwickelte Assistierte Ausbildung (PDF)
TEILNAHME WÄHREND DER ARBEITSZEIT ERMÖGLICHEN
Einige Sprachförderangebote finden während der Arbeitszeit statt. Betriebe können durch flexible Dienstpläne oder Freistellungen die Teilnahme erleichtern und so den Ausbildungserfolg fördern.