Ein Maßnahmen-Strauß für mehr Spaß in der Ausbildung

Ein Massnahmenstrauss für mehr Spaß in der Ausbildung
© KATLEHO SEISA/Getty Images
Distanzunterricht, Homeoffice, fehlende persönliche Unterstützung, mangelnde Bewegung, eingeschränkte soziale Kontakte – die Pandemie hatte massive Auswirkungen auf das Leben von Kindern und Jugendlichen. Und: auf die Motivation von Azubis. Doch Unternehmen können gegensteuern, und das zahlt sich aus.
Sabine Schritt
Sabine Schritt
Freie Journalistin

Sandra Dölle hat erlebt, wie unterschiedlich junge Auszubildende die Krise meistern, und dass die Motivation für die Ausbildung in solch einer Ausnahmesituation eklatant nachlassen kann. Dölle ist kaufmännische Ausbildungsleiterin der DuPont de Nemours (Deutschland) GmbH am Standort Neu-Isenburg, wo Kaufleute für Büromanagement ausgebildet werden. „Fehlende Motivation in der Ausbildung kennen wir eigentlich nicht“, sagt Dölle, „doch dann kam Corona, und wir haben sehen müssen, dass die Einschränkungen für manche jungen Menschen eine echte Katastrophe sein können.“

2020 startete das Unternehmen in das neue Ausbildungsjahr. „Sehr schnell befanden wir uns in der Situation von Distanz- und Wechselunterricht in der Berufsschule und Homeoffice im Betrieb“, erzählt Dölle. Die fehlende soziale Einbindung, sei es im Betrieb, sei es in der Schule, habe sich teilweise sehr stark bemerkbar gemacht. Dies mündete auch ziemlich schnell in Leistungsprobleme in der Berufsschule. „Gerade für junge Menschen, die beim Lernen Unterstützung brauchen, ist eine persönliche Begleitung sehr wichtig. Dies konnte die Berufsschule nicht mehr leisten“, berichtet Dölle. „In der schlimmsten Zeit, als wir alle von zu Hause arbeiten mussten, erhöhte sich auch von dort die Fehlerquote. Für Azubis ist so eine Situation dramatisch. Sie sind gerade voller Erwartungen ins Berufsleben eingestiegen und sitzen dann alleine zu Hause.“ Schnell habe sich gezeigt, dass mangels Motivation die nötigen Leistungen für das erste Lehrjahr nicht mehr abgerufen werden konnten. „Fehlende menschliche Betreuung kann auch die beste technische Ausstattung im Homeoffice nicht ausgleichen.“

Mut machen und im Gespräch bleiben

Um die Motivation wieder zu steigern, griff Dölle zu einem ganzen Strauß Maßnahmen.

„Wir haben Arbeitsaufgaben angepasst und einfachere Lernziele definiert.“ In so einer Situation sei es wichtig, erst mal wieder Erfolgserlebnisse zu verschaffen, rät sie. Auch mehrere Wiederholungen von Arbeitsabläufen könnten helfen, bis sich eine Routine einstelle.

Im Gespräch bleiben, egal wie und über welche Mittel auch immer, ist für Dölle der Schlüssel, Azubis auch in einer Krise immer wieder zu motivieren. „In der Pandemie fehlte vor allem das direkte persönliche Feedback“, sagt sie. Auch für die Fachunterweiser in den einzelnen Abteilungen war die Situation völlig neu. „Vieles konnte während der Pandemie gar nicht vermittelt werden“, so Dölle. Lerntreffs während der Arbeitszeit, damit Lernstoff gemeinsam wiederholt werden konnte, war eine Möglichkeit, gegenzusteuern.

„Doch bei allem Entgegenkommen und Verständnis – manchmal braucht es auch klare Worte und klare Grenzen. Junge Menschen müssten sich bewusst werden, dass sie auch eine Eigenverantwortung haben und durch ihr Verhalten selbst entscheiden, wie es weitergeht“, ist Dölle überzeugt. „Deutliche Worte helfen, sie aus dem Teufelskreis von Demotivation und Misserfolgen herauszuholen und ihren Gestaltungswillen zu wecken.“

„Deutliche Worte helfen…“

Eine enge Begleitung im Alltag könne Wunder bewirken. Diese könne aus kleinen individuellen Lernzielen bestehen und praktischen Tipps zu Erledigung von Aufgaben oder Hilfestellungen in der sozialen Interaktion. Spezielle Projekte außerhalb des Lehrplans, die die persönlichen Interessen des Azubis aufgreifen, zum Beispiel das Gestalten von Social-Media-Seiten, könnten die Motivation ebenfalls steigern.

Aus Dölles Sicht hat sich eine gute Mischung aus neuen Abläufen und Herausforderungen bewährt, die extra Spaß bieten. „Die Ausbildung ist ja auch dazu da, sich ausprobieren zu können. Je mehr die Möglichkeit dazu besteht, desto motivierter sind die Azubis.“

Empathie und individuelle Förderung

Richtig motivieren sei auch ein Balanceakt zwischen Fordern und Fördern. „Während manche Auszubildende an großen Herausforderungen wachsen, reagieren andere besonders auf ein Wohlfühlumfeld“, berichtet Andreas Eiling, Geschäftsführer der Ausbilder-Akademie GmbH aus der Nähe von Frankfurt am Main. „Durch Corona waren die Möglichkeiten der Betriebe stark eingeschränkt.“ Die Arbeit im Homeoffice, hohe psychische Belastungen und wenig Betreuung in der Pandemie hätten gerade bei leistungsschwächeren Auszubildenden zu starken Motivationsproblemen geführt.

„Motivation ist generell ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Ausbildung – und eine komplexe Herausforderung“, meint Eiling. „Von Geburt an ist der Mensch motiviert, Neues zu entdecken und zu lernen.“ Später dann werde der natürliche Antrieb, Dinge zu tun, in die eine oder andere Richtung gelenkt. Motivation sei auch immer mit bestimmten Erwartungshaltungen und Wahrnehmungen verknüpft. Auszubildende hätten – wie alle Menschen – unterschiedliche persönliche Ziele und stünden auch ständig vor Entscheidungen das eine zu tun oder zu lassen. „Die große Herausforderung für Ausbilder ergibt sich daraus, so empathisch zu sein, sich in den jeweiligen Auszubildenden hineinversetzen zu können, um die richtigen Knöpfe zu drücken, damit er die Anforderungen erfüllen kann und will. Daraus erklärt sich auch, dass Motivationsmaßnahmen nicht generell anwendbar sind. Was bei dem einen Azubi funktioniert, geht bei dem anderen gar nicht. Dann spricht man sehr leichtfertig von mangelnder Motivation, obwohl vielleicht nur die falschen Knöpfe gedrückt wurden.“

Motivierend führen

Die Ausbilder seien der maßgebliche Erfolgsfaktor für die Ausbildung, das werde oft vergessen, wenn man von nicht motivierten Azubis spreche. „Ausbilder müssen keine höhere pädagogische Kompetenz erwerben, sollten aber ihre Rolle reflektieren. Denn sie sind nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Persönlichkeitsentwickler. Dabei sei wichtig, sich auf die jungen Menschen, ihre Werte und Prioritäten einstellen zu können. Diese Wertschätzung wirke motivierend. Motivierend Führen in der Ausbildung bedeute auch, endlich wegzukommen von alten Mustern, wie: Ich zeige dir, wie es geht – hin zu: Versuche selbst, eine Lösung zu finden. In der modernen Ausbildung solle der Ausbilder eher die Rolle eines Lernprozessbegleiters einnehmen als die des Lehrers. „Die Ausbildung methodisch zu modernisieren, kann sehr zur Motivation beitragen“, sagt Eiling. Mit einem zielorientierten Feedback-System ließen sich zudem manche Motivationseinbrüche früh erkennen und abwenden. „Es ist wichtig, im betrieblichen Ablauf die nötigen Kapazitäten und Zeiten dafür zur Verfügung zu stellen. Sich für Gespräche mit den Auszubildenden Zeit zu nehmen, zahlt sich immer aus.“

Sandra Dölle hat es mit ihrem Maßnahmenstrauß geschafft, dass sich die Leistungen verbessert haben und sich auch die Freude an der Ausbildung ein Stück weit wiedereingestellt hat. „Es war ein steiniger Weg. Aber in vielen kleinen Dingen sehen wir Veränderung“, sagt sie. Dass wir teilweise wieder ins Büro zurückkehren konnten, hat ebenfalls geholfen.“ Sie hat festgestellt: „Azubis erleben eine positive Selbstwirksamkeit, wenn sie Prozesse sauber durcharbeiten, dies ermutigt zum Weitermachen.“

So fördern Sie die Motivation Ihrer Azubis:

  • Führen Sie regelmäßige Gespräche, um Motivationsmangel und Unzufriedenheit rechtzeitig zu erkennen.
  • Handeln Sie bei den ersten Anzeichen wie: häufige Fehler, Unpünktlichkeit, Auffälligkeit im Sozialverhalten, Stimmungsschwankungen.
  • Ergründen Sie die individuellen Leistungsmotive der Auszubildenden. Diese können beispielsweise sein: Sinnhaftigkeit, Freude, Sicherheit, Selbstständigkeit, Freizeit, Zugehörigkeit, Anerkennung, Zukunftsperspektiven.
  • Führen Sie eine offene Kommunikation über Leistungsdefizite und ihre möglichen Ursachen.

Je nachdem, welche Ursachen für eine mangelnde Motivation vorliegen, können unterschiedliche Maßnahmen helfen:

  • Passen Sie Arbeitsaufgaben und Lernziele individuell an, um Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.
  • Stärken Sie den Zusammenhalt durch gemeinsame (Lern-)erlebnisse im Team.
  • Begleiten Sie bei Bedarf im Lernprozess engmaschig und erkennen Sie auch kleine Fortschritte an.
  • Geben Sie unmittelbares Feedback und signalisieren Sie, dass sie positive Veränderungen wahrnehmen.
  • Setzen Sie handlungsorientierte Methoden ein, die selbstständiges Durchführen und Bewerten der Aufgaben ermöglichen.
  • Übertragen Sie Verantwortung für eigene Aufgaben, erhöhen Sie Schritt für Schritt den Grad der Selbstständigkeit.
  • Unterstützen Sie im Selbst- und Zeitmanagement für die Bewältigung von Arbeitsabläufen.
  • Geben Sie Hilfestellung bei der Orientierung im Betrieb und im sozialen Umfeld.
  • Appellieren Sie an die Eigenverantwortung und bieten Sie einen Gestaltungspielraum, der die Eigeninitiative fördert.

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