Auf der Suche nach anderen Wegen

Anja Boller vom IHK-Schlichtungsausschuss
Anja Boller, Abteilungsleiterin für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südthüringen © Michael Reichel
Wo Menschen zusammenkommen, sind auch Konflikte möglich. Auch im Betrieb und in der Ausbildung läuft nicht immer alles reibungslos. Was aber, wenn beide Vertragsparteien das Problem nicht aus eigener Kraft lösen können? Für solche Fälle gibt es die Schlichtungsstellen der IHKs. Hier wird nach außergerichtlichen Lösungen gesucht.
Sebastian Haak
Sebastian Haak
Freier Journalist

Der Anlass für den Termin in der Schichtungsstelle war nicht erfreulich. Marko Wilde – ein Unternehmenschef, der eigentlich anders heißt – und der junge Mann lagen im Streit miteinander. Und zwar so heftig, dass Wilde die angehende Fachkraft fristlos entlassen wollte. „Der Junge“, sagt Wilde heute, „war auch noch komplett uneinsichtig.“, sagt er.

Doch wem wäre damit geholfen gewesen? Wilde berichtet, dass er zuerst lange nach einem Azubi gesucht habe. Jetzt, im zweiten Lehrjahr, hatte das Unternehmen Zeit und Geld in seine Ausbildung investiert. Der junge Mann wäre mit dem Stigma einer fristlosen Kündigung behaftet gewesen, was es ihm sehr schwer gemacht hätte, eine neue Lehrstelle zu finden. Gab es also keinen besseren Weg? Einen, der zwar nicht darüber hinwegtäuschen würde, was vorgefallen war, der aber die allerschlimmsten Konsequenzen abwenden würde?

Außergerichtlich einigen

Anja Boller sagt, einen solchen Weg zu finden, sei exakt die Aufgabe der IHK-Schlichtungsausschüsse, manchmal auch „Schlichtungsstellen” genannt. „Sie können vom Auszubildenden oder vom Betrieb angerufen werden, um bei Streitigkeiten außergerichtliche Einigungen zu erreichen“, sagt Boller, die als Abteilungsleiterin für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südthüringen arbeitet. Für den Fall, dass jemand einen Streit während der Ausbildungszeit vor ein Arbeitsgericht bringen wolle, sei er sogar dazu verpflichtet, zuvor die für ihn zuständige Schlichtungsstelle anzurufen. Nur, wenn es dort zu keiner Lösung komme, könne der Streit vor ein Arbeitsgericht getragen werden.

Wirklich häufig, sagt Boller, werde der Schlichtungsausschuss jedenfalls in ihrem Kammerbezirk nicht angerufen. In den vergangenen Jahren sei es zu durchschnittlich neun Schlichtungen jährlich gekommen – bei tausenden Ausbildungsverhältnissen im Bereich dieser IHK. „Trotzdem ist jeder dieser Konflikte es wert, dass man sich damit befasst“, sagt Boller. Immerhin gehe es sowohl für das Unternehmen, als auch für die jungen Menschen bei der Ausbildung um viel. Die Bandbreite der Streitthemen sei auch deshalb „so breit wie das Konfliktfeld des Lebens“. Nach Angaben von Boller wird vor dem Ausschuss etwa über Urlaub gestritten, über die Qualität der Ausbildung, Arbeitszeiten, Schichtdienste, Fehlzeiten und bisweilen auch über Diebstähle.

Eine zweite Chance erhalten

Diebstahl – dieser Vorwurfe stand auch gegen den damaligen Auszubildenden von Wilde im Raum. Zwei seiner Mitarbeiter, sagt Wilde, hätten, ihn ertappt. „Das Vertrauensverhältnis war natürlich völlig zerstört.“ Deshalb habe er eigentlich die fristlose Kündigung gewollt.

Im Schlichtungsausschuss der IHK Südthüringen fand sich dann aber noch ein anderer Weg. Einer, den zu gehen Wilde zwar nicht glücklich macht, den er aber trotzdem mitgehen kann. Anstatt dem damaligen Lehrling fristlos zu kündigen, einigte sich Wilde mit ihm darauf, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der junge Mann bekommt so – in einem anderen Unternehmen – eine zweite Chance. Und dieses andere Unternehmen zumindest die Hoffnung darauf, dass der Mann seine Lektion gelernt hat und dort zu einer der benötigten Fachkräfte wird.

Boller sagt, so laufe das häufig vor einem Schlichtungsausschuss. Auch wenn die Positionen der Streitenden zum Beginn der Schlichtung in der Regel sehr weit auseinander lägen. „In 80 bis 90 Prozent der Fälle kommt es dort zu einer Schlichtung, das heißt, es gibt einvernehmliche Lösungen“, sagt sie. „Das ist ein bewährtes Mittel.“

Wie vermeidet man Streit in der Ausbildung?

  • Noch besser als der Weg zum Schlichtungsausschuss ist es: Jeden Konflikt möglichst vermeiden oder schnell beenden. Nur wie? Hier ein paar einfache Tipps: Regelmäßige Ausbildungsgespräche mit den Auszubildenden führen; das hilft Missverständnisse zu vermeiden, aus denen Konflikte werden können. Dabei vielleicht sogar Zielvereinbarungen schließen.
  • Bei Regelverstößen mit deutlichen Konsequenzen reagieren. „Entscheidend ist dabei, dass alle Ausbildungsverantwortlichen einheitlich handeln und ihre Erwartungen deutlich formulieren“, heißt es.
  • Bei schon bestehenden Konflikten zwischen Ausbilder und Lehrling auch im Betrieb eine dritte, neutrale Person zu einem Gespräch zwischen beiden hinzuziehen.

Quelle: IHK Karlsruhe

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