Tolle Schulnoten? Uninteressant!

Jonas Rüttgers wurde der erste AWEOS-Azubi, ist bald selbst ­Ausbilder und sogar IHK-Prüfer
Jonas Rüttgers hatte auf Schule wenig Bock und ­lieber seinem Vater eine ­Website gebaut. Er wurde der erste AWEOS-Azubi, bald selbst ­Ausbilder und sogar IHK-Prüfer © Anna Schwartz
Erstmal sprechen – und zwar auf Augenhöhe. So geht ­­das Unternehmen AWEOS an die Gewinnung von Azubis und Mitarbeitern. Mit seinem Konzept, vermeintlichen „Underdogs“ eine Chance zu geben, ist der Gewinner des IHK-Bildungspreises hochgradig erfolgreich.
Tonia Sorrentino
Tonia Sorrentino
Journalistin für Recruiting & Human Ressources © Anna Schwartz

Es liegt nicht am entspannt-­familiären Ambiente. Daran, dass immer mal Zeit ist für einen Schnack bei ­Kaffee. Dass Raum ist für eine ­Runde Super Nintendo am ­Retro-­PC oder Modellautorennen, mit oder ohne mitgebrachten Hund. Es sind nicht die flexiblen Home-Office-Regelungen, Firmen-­Smartphones und -Notebooks, die Gratis-Getränke und -Snacks, die legeren ­Klamotten. Natürlich fördert das die Mitarbeiterzufriedenheit. Aber der essenzielle Grund dafür, dass die Solinger AWEOS GmbH so erfolgreich Talente gewinnt und hält, ist der Führungsstil von Geschäftsführer ­Christos Papadopoulos. Der 29-­Jährige begegnet seinen ­angehenden Fachkräften kategorisch auf Augenhöhe. „Wie Erwachsene behandelt zu werden“, nennen das viele in seinem 15 ­Personen starken Team, dessen ältestes Mitglied 33 Jahre alt ist. „So ernst genommen zu werden, kannte ich vorher nicht“, heißt es in dem Kontext öfter – eins der Kriterien, welches die 2014 gegründete Werbeagentur zum IHK-Bildungspreis 2022 führte.

Tolle Schulnoten? ­Uninteressant. Persönliches Engagement und Begeisterungsfähigkeit sind wichtig. Diese zeigen sich auch gern mal in einem privaten Projekt, so wie bei Jonas Rüttgers (27), der auf Schule wenig Bock hatte, aber daheim seinem ­Vater eine Website baute. Er wurde der erste AWEOS-Azubi, bald selbst zum Ausbilder. Heute ­leitet der SEO- und Webdesign-­Profi Ausbildung und Vertrieb in der Agentur und ist IHK-Prüfer. „Wir haben in unserer Entwicklung stark auf Eigenverantwortung gesetzt“, sagt Rüttgers. Sein Chef ergänzt: „Wir sind sehr jung und trotzdem deutschlandweit anerkannt. Weil wir dynamisch sind, gern anders denken und Spaß dabei haben.“

AWEOS-Chef Christos Papa­dopoulos weiß, wie man Talente ­gewinnt und hält
Kategorisch auf Augen­höhe: AWEOS-Chef Christos Papa­dopoulos weiß, wie man Talente ­gewinnt und hält © Anna Schwartz

Es gehört zu Papadopoulos‘ Konzept, vermeintlich Schwachen eine Chance zu geben. „Es kommt auf die Lernbereitschaft an, nicht aufs Können“, sagt der Solinger, der „selbst keine klassische Arbeitserfahrung“ hat, aber seit seinem 14. Lebensjahr PCs repariert. „Wir bilden uns selbst aus, finden eigene ­Lösungswege. Die halten wir in einem Manual fest. Schließlich will ich nicht alles zig-mal neu erklären.“ Fehler sind Learnings statt Misserfolge. Der Umgang damit ist so schlicht wie nachhaltig. Papadopoulos: „Wir fragen uns, was wir tun müssen, damit der Fehler in den ­nächsten zehn Jahren nicht ­wieder ­auftritt.“

Sheila Synowiec (21), ­Azubine in der SEO-­Kundenbetreuung, fühlt sich mit der flexiblen ­Arbeitsweise wohl. „Nichts ist festgefahren, und wir sind alle auf einer Wellenlänge.“ Ihrem Kollegen Michael Schneider ­gefällt besonders, dass er direkt an Projekten arbeiten ­durfte und viele Freiheiten ­hatte. Der 26 Jahre alte ­Webdesigner kam vor knapp fünf Jahren als Praktikant zu AWEOS, ging dann in die Ausbildung, die er um sechs Monate ­verkürzte, um inhouse als Webdesigner durchzustarten. „Hier kann ich Ideen einbringen und ­meine ­Ergebnisse präsentieren. Es geht nicht stur um To-dos.“ Die plötzlich erfahrene Eigenständigkeit sei am Anfang herausfordernd gewesen, habe aber Spaß gemacht. „Man lernt dabei sehr viel.“

Christos Papadopoulos ist stolz auf sein Team und das gemeinsam Erreichte. „Wir verhelfen hunderten Mittelständlern zu Umsatz- und Mitarbeiterwachstum. Weil wir indirekt neue Arbeitsplätze schaffen, fördern wir auch allgemein die Wirtschaft.“ Womöglich auch ein eigener Erfolgsbooster: In diesem Jahr sollen bei AWEOS fünf Azubis starten. Und Platz ist am kürzlich bezogenen neuen Standort für gut 50 Personen.


IHK-Bildungspreis

Der Bildungspreis der IHK-Organisation und der Otto-Wolff-Stiftung wird alle zwei Jahre verliehen. Der Preis zeichnet Unternehmen aus, die – wie es auf der Wettbewerbs-Homepage heißt – „den Wert der ­Beruflichen Bildung erkannt haben und durch ­geeignete ganzheitliche Qualifizierung von Arbeitnehmer*innen den Fachkräftemangel gezielt angehen“. Die Kategorien: kleine Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, mittlere Unternehmen zwischen 50 und 500 sowie große ­Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Das Preisgeld von 6.000 Euro ist gebunden an eine ­Spende zugunsten einer ­gemeinnützigen Bildungs­initiative.

Ab 17. Juli 2023 bewerben

Für die 2024er Ausgabe haben sich die Verantwortlichen mit „Gemeinsam handeln und wandeln! NEUES wagen und mit uns ZUKUNFT schreiben!“ einen einprägsamen Slogan einfallen lassen. Jetzt braucht es nur noch viele faszinierende Einreichungen aus den Regionen.

www.ihk-bildungspreis.de

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