„Spurwechsler“ als motivierte(re) Azubis

Hat gute Erfahrungen mit Spurwechslern gemacht: Alexandra Dissler (links), Ausbilderin bei Rohde & Schwarz in München. Mit ihrer ehemaligen Auszubildenden Helena Riedel traf sie sich zum Videogespräch mit POSITION
Hat gute Erfahrungen mit Spurwechslern gemacht: Alexandra Dissler (links), Ausbilderin bei Rohde & Schwarz in München. Mit ihrer ehemaligen Auszubildenden Helena Riedel traf sie sich zum Videogespräch mit POSITION © Jens Schicke
Ist ein Studienabbruch das Ende der Karriere? Das Gegenteil kann der Fall sein! POSITION hat bei Rohde & Schwarz in München und beim bildungspolitischen Sprecher der bayerischen IHKs nachgefragt.
Sebastian Haak
Sebastian Haak

Eine Sache will Hubert Schöffmann gleich am Anfang klarstellen. Das Wort „Studienabbrecher“, sagt Schöffmann, sei falsch, wenn man über diejenigen spreche, die ihr angefangenes Studium nicht beenden, sondern sich für eine Ausbildung entscheiden. Vielmehr seien das doch „Spurwechsler“, meint der bildungspolitische Sprecher der bayerischen Industrie- und Handelskammern. Denn: „Ein Spurwechsel ist kein Beinbruch, es ist nicht das Ende der Karriere.“ Dann wird er noch deutlicher: „Viele Studenten, die sich von Klausur zu Klausur durchkämpfen, verschwenden ihr Talent an der Hochschule.“

Diese Einschätzung, die aus Sicht von Schöffmann vor allem zu vielen jungen Menschen noch durchdringen muss, kann Alexandra Dissler nur bestätigen. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie in ihrer Funktion als kaufmännische Ausbilderin beim Münchner Technologiekonzern Rohde & Schwarz mit Menschen, die sich nach dem Ende ihrer Schulzeit noch einmal neu entschieden haben: weg vom begonnenen Studium. Hin zu einer dualen Ausbildung. „Ich arbeite sehr gerne mit diesen jungen Menschen“, sagt sie.

Nach den Erfahrungen von Dissler sind es gleich mehrere Gründe, die Spurwechsler zu guten Auszubildenden machen. Manche, die für sie selbst und ihre Beziehung zu ihrem Ausbildungsunternehmen gelten. Manche, die auch für andere Lehrlinge in einer Firma relevant sind.

Zu ersteren Gründen, sagt Dissler, gehöre, dass Spurwechsler in der Regel reifer seien als Auszubildende, die direkt nach der Schule in einem Unternehmen anfangen. „Dadurch sind sie selbstständiger“, sagt Dissler. Das schließe auch mit ein, dass sie durch ihr Studium meist gelernt hätten, sich selbst zu organisieren – unabhängig davon, dass ihnen ihr Studienfach am Ende in der Regel doch fremd geblieben sei. Vielen Spurwechslern, sagt Dissler, sei der Unterricht an einer Hochschule zu theoretisch; so wie das auch bei Helena Riedel der Fall war, die bei Dissler schließlich zur Industriekauffrau ausgebildet wurde, nachdem sie ihr BWL-Studium abgebrochen hatte (siehe Interview). Dass diese Theorielastigkeit eine zentrale Ursache für Studienabbrüche ist, weiß auch Schöffmann.

Laut Dissler sind junge Menschen, die bereits an einer Hochschule waren, in der Lage, ganze Gruppen von Auszubildenden mitzuziehen. „Die sind von den Noten her meist sehr gut“, sagt sie. Und weil sie schon ein Studium abgebrochen hätten, seien sie überaus motiviert, ihre Ausbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. In Disslers Verantwortungsbereich gebe es in der Regel Gruppen von etwa zehn Auszubildenden, bei denen sich immer wieder zeige, dass diese Leistungsfähigkeit in Verbindung mit dieser Motivation auch andere Auszubildende ansporne.

Dass noch mehr Unternehmen und Auszubildende als bislang von derlei zusätzlicher Motivation in ihren Reihen durch Spurwechsler profitieren könnten, davon ist Schöffmann überzeugt: „Das Potenzial ist noch nicht voll ausgeschöpft“, sagt er.

3 Fragen & Antworten zum Thema „Spurwechsler“

1. Warum lohnt es sich, Studienabbrecher als Zielgruppe für Ausbildungsstellen zu begeistern?

Sie verfügen bereits über Vorkenntnisse – vor allem auch dann, wenn sie ein verwandtes Studienfach belegt hatten. Als sehr vorteilhaft können sich die persönliche Reife und auch die Leistungsbereitschaft der jungen Menschen erweisen, die ihre zweite berufliche Chance erfolgreich am Schopf packen wollen.

2. Wie erleichtern Sie den Spurwechslern den Übergang?

Indem Sie ihnen schon beim ersten Kontakt ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und dabei auch finanzielle Aspekte nicht außer Acht lassen. Denn: dass Akademiker mehr Geld als Nicht-Akademiker verdienen, stimmt nicht unbedingt, zeigt eine im IHK-Auftrag erstellte Studie. (siehe www.dihk.de, „Berufliche Weiterbildung zahlt sich aus“)

3. Wie helfen die IHKs?

Im Rahmen ihrer gemeinsamen Initiative „Mit Praxis zum Erfolg“ zeigen die IHKs alternative Karrierewege in der Beruflichen Bildung auf – und unterstützen die Spurwechsler mit vielfältigen regionalen Angeboten bei ihrem Neustart. Auch den Unternehmen ist somit geholfen. Das Spektrum reicht von Informationsveranstaltungen bis hin zur konkreten Vermittlung von Ausbildungsplätzen. www.ihk.de/mit_praxis_zum_erfolg.de

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