Reden ist der erste Schritt

Reden ist der erste Schritt
Der Ausbildungsbeauftragte Claudio Röth (r) spricht bei der Intercord GmbH mit dem Azubi Paul Unger. Das Unternehmen mit über 90 Mitarbeitern, darunter vier Auszubildende, fertigt technische Fäden, die z.B. in Schläuchen, Reifen und Luftfedersystemen verwendet werden © Michael Reichel
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass viele Beschäftigte, die täglich mit Auszubildenden zu tun haben, nicht wirklich wissen, was dabei eigentlich von ihnen erwartet wird. Weiterbildungen können helfen. Ebenso wie – ganz simple – Absprachen.
Sebastian Haak
Sebastian Haak
Freier Journalist

Es waren nur Kleinigkeiten. Aber sie waren doch groß genug, dass sich Christian Trillhase darüber Gedanken machte. Etwa darüber, wie man damit umgehen sollte, wenn ein Auszubildender zu spät kommt. „Da war es wichtig, ein paar Dinge ganz grundsätzlich zu klären“, sagt Trillhase, der bei Intercord im thüringischen Mühlhausen in der Produktionsplanung arbeitet und gleichzeitig Ausbilder ist. Wenn es um Zuständigkeiten geht, glaubt er an die reine Lehre. „Es gibt entweder Eins oder Null, alles andere ist Grauzone“, sagt er. „Wenn bestimmte Zuständigkeiten nicht geklärt sind, erzähle ich einem Auszubildenden vielleicht Dinge, die ihm jemand anderes zuvor ganz anders erzählt hat. Das schafft nur Konflikte.“

Umfrage: Wurden den ausbildenden Fachkräften zu Beginn ihrer Tätigkeit die Aufgaben bzw. Verantwortungsbereiche schriftlich oder mündlich erklärt?

Umfrage ERFOLGREICH AUSBILDEN
© Sabine Bleumortier – ERFOLREICH AUSBILDEN Die Umfrage wurde in der Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2022 online durchgeführt. Es haben sich 296 Ausbildungsleiter und 139 ausbildende Fachkräfte beteiligt.

Also begann Trillhase, Absprachen mit den Kollegen zu treffen, die regelmäßig mit den Auszubildenden des Unternehmens zu tun haben. Dann organisierte er für sie eine Weiterbildung.

Klingt banal? Ist es nicht. Denn zur Wahrheit des Ausbildungsalltages in Deutschland gehört, dass es längst nicht überall so klare Absprachen und Einweisungen gibt wie bei Intercord, wo technische Fäden hergestellt werden. Nach einer aktuellen Umfrage wird einem nicht kleinen Teil der ausbildenden Fachkräfte nicht erklärt, was eigentlich von ihnen erwartet wird, wenn sie Lehrlingen dies und das beibringen.

Diese ausbildenden Fachkräfte sind „auf sich allein gestellt“

„Das heißt im Prinzip, dass diese ausbildenden Fachkräfte auf sich allein gestellt sind und den Umgang mit Auszubildenden so gestalten, wie sie sich das denken“, sagt Sabine Bleumortier, in deren Verantwortung diese Umfrage entstanden ist. Das bedeute nicht zwingend, dass das, was diese Fachkräfte täten, schlecht sei. „Aber die Gefahr ist doch groß, dass der eine denkt, das wird der andere schon machen, und am Ende macht es keiner.“ Bleumortier ist unter anderem auf die Beratung von Ausbildern spezialisiert.

„Wenn bestimmte Zuständigkeiten nicht geklärt sind, erzähle ich einem Auszubildenden vielleicht Dinge, die ihm jemand anderes zuvor ganz anders erzählt hat.“

Christian Trillhase, Ausbilder

Die Ergebnisse der Umfrage Bleumortiers sind zwar nicht repräsentativ. Dennoch vermitteln die Zahlen eine ungefähre Vorstellung davon, wie groß das Problem mit den mangelnden Absprachen zwischen Ausbildern und ausbildenden Fachkräften oder auch zwischen Letzteren ist. So gab etwa ein Drittel der befragten ausbildendenden Fachkräfte in der sogenannten Ausbilderumfrage 2022 an, ihnen sei ihre Aufgaben zu Beginn ihrer Tätigkeit weder mündlich noch schriftlich erklärt worden. Dieser Wert, sagt Bleumortier, habe sich gegenüber ihren vergleichbaren Erhebungen aus den Vorjahren nur leicht verbessert.

Mit ausbildenden Fachkräften reden, das ist laut Bleumortier ein wesentlicher, erster Schritt, um sie auf das vorzubereiten, was sie im Alltag leisten müssen. Zudem ist sich Trillhase sicher, dass es auch ein über die IHK Erfurt organisierter Workshop zum Umgang mit den Auszubildenden von heute war, der ihm und seinen Kollegen – als Schritt zwei – sehr geholfen hat. Mit der Generation Z, sagt Trillhase, müsse man anders umgehen als mit früheren Auszubildenden.

„… die Gefahr ist doch groß, dass der eine denkt, das wird der andere schon machen, und am Ende macht es keiner.“

Sabine Bleumortier, Ausbildungsexpertin

Diese Einschätzung teilt auch Kristin Gräfin von Faber-Castell, die als stellvertretende Leiterin des Teams Weiterbildung bei der IHK Erfurt arbeitet. In der Vergangenheit habe bei ausbildungsbezogenen Weiterbildungen oft die Didaktik im Vordergrund gestanden. Heute gehe es vielmehr um den Umgang mit Generationenkonflikten, sagt sie. „Das hat sich doch zugespitzt, dass die jungen Menschen anders angesprochen werden wollen.“


Gut zu wissen: Ausbilder vs. ausbildende Fachkräfte

Ausbilder sind diejenigen in einem Unternehmen, die sich während der Lehrlingszeit federführend um junge Menschen kümmern und sie in der Regel durch die gesamte Ausbildung begleiten. Laut Berufsbildungsgesetz darf in Deutschland nur ausbilden, wer dafür persönlich und fachlich geeignet ist. Der entsprechende Nachweis wird mit dem Ausbilderschein erbracht, für den wenigstens ein Mitarbeiter im Betrieb die Ausbildung zum Ausbilder nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) abgeschlossen haben muss. Damit soll die Qualität der Ausbildung gesichert werden.

Allerdings verbringen Lehrlinge nicht die ganze Zeit bei ihrem Ausbilder, wenn sie verschiedene Stationen im Unternehmen durchlaufen. Dort haben sie vielfach mit erfahrenen Kollegen zu tun, die in der Regel keine formale Ausbilderqualifikation haben, von denen sie aber dennoch viel lernen. Diese Beschäftigten werden ausbildende Fachkräfte genannt.

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