Kreatives Ausbildungs­marketing zwischen frech und feinfühlig

Kreatives Ausbildungsmarketing zwischen frech und feinfühlig
Social Media-Motiv aus der Kampagne “#könnenlernen – Ausbildung macht mehr aus uns” der DIHK © IHK
Wer Auszubildende gewinnen will, muss sie dort erreichen, wo junge Menschen unterwegs sind – online in sozialen Medien oder offline in Schulen und Vereinen. Entscheidend ist nicht der Kanal, sondern dass die Ansprache glaubwürdig wirkt. Die Zielgruppe – ob Gen Z oder andere – merkt sofort, wenn Tonfall, Inhalte oder Werte nicht passen. Erfolgreiches Ausbildungsmarketing braucht deshalb Kreativität und Authentizität.
Franz Roiderer
Franz Roiderer
© UNIVERSUM Verlag GmbH / Lukas Görlach

„Schon okay, aber klingt ein bisschen wie Eltern, die cool sein wollen.“ Dieser Kommentar unter einem Social-Media-Clip bringt das Dilemma vieler Ausbildungsbetriebe auf den Punkt: Trotz moderner Musik, dynamischer Schnitte und lockerer Sprache wirkt die Ansprache oft bemüht – und verfehlt ihr Ziel.

Glaubwürdigkeit ist Trumpf

Junge Menschen spüren sofort, wenn etwas „gestellt“ ist. Sie wollen nicht umworben, sondern verstanden werden. Statt gestellter Imagevideos überzeugen echte Szenen aus dem Azubi-Alltag – ungeschminkt, humorvoll, nahbar. Gleichzeitig gilt: Nicht jedes Unternehmen muss zwangsläufig Social Media einsetzen.

„Wenn die Ressourcen fehlen oder es einfach nicht passt, sollte man lieber auf andere Kanäle setzen, die authentisch sind und zur eigenen Kultur passen“, sagt Ulrike Friedrich, ­Referatsleiterin Ausbildungsmarketing und Kampagnenmanagement bei der DIHK. Gerade kleinere ­Betriebe können mit Schulkooperationen, persönlichen Gesprächen oder regionalen Aktionen überzeugen – wichtig ist, dass der gewählte Weg glaubwürdig bleibt. Unterstützung bietet dabei die bundesweite Kampagne „Ausbildung macht mehr aus uns“: Die von der IHK-Organisation bereitgestellten ­Materialien ­erleichtern es Unternehmen, ihr Ausbildungsmarketing professio­nell zu gestalten.

„Junge Menschen wollen ernst genommen werden, Verantwortung übernehmen und mitgestalten – wenn Betriebe ihnen diesen Raum geben, steigt die Bindung an das Unternehmen.“


Ulrike Friedrich, Leiterin des Referats Ausbildungsmarketing und Kampagnen-Management bei der DIHK

Digitale Sozialisation und die neue Echtzeit-Kultur

Die Generation potenzieller Auszubildender – oft als Generation Z bezeichnet – ist digital sozialisiert. Sie ist es gewohnt, Inhalte sofort zu konsumieren und direkt darauf zu reagieren. Informationen werden im Vorbeiscrollen aufgenommen, bevorzugt auf TikTok, Instagram oder YouTube. Aufmerksamkeit ist flüchtig – dafür ist die Reaktion unmittelbar.

Diese Realität greift die Kampagne „Ausbildung macht mehr aus uns – Jetzt ­#könnenlernen“ auf; Herzstück ist der TikTok-­Kanal @­die.Azubis, auf dem Auszubildende selbst Ein­blicke geben – mit ­spontanen Clips, ehrlichem Blick ­hinter die ­Kulissen und oft mit ­Selbstironie. „Das Format setzt auf Authentizität statt Hochglanz und erzielt spürbar Interaktion in der Zielgruppe. Dabei stehen echte Auszubildende vor und oft auch hinter der Kamera – nicht Influencer oder Models,“ erklärt ­Ulrike Friedrich.

Auch Werte werden zum Entscheidungskriterium

Studien betonen, dass Werte wie Nachhaltigkeit, Diversität und eine glaubwürdige Unternehmenskultur für viele Jugendliche bei der Arbeitgeberwahl entscheidend sind. Gleichzeitig achten junge Menschen sehr genau darauf, wie Unternehmen auf Social-Media-Kanälen kommunizieren – Tonfall und Inhalte müssen stimmig sein.

Darüber hinaus ist eine wertschätzende Unternehmenskultur entscheidend, die sich durch offene Feedback-Kultur, Unterstützung durch Ausbilderinnen und Ausbilder sowie die Förderung individueller Stärken auszeichnet. „Nicht zuletzt geht es auch um Eigenverantwortung,“ betont Ulrike Friedrich. „Junge Menschen wollen ernst genommen werden, Verantwortung übernehmen und mitgestalten – wenn Betriebe ihnen diesen Raum geben, steigt die Bindung an das Unternehmen.“

Zwischen Lockerheit und Respekt: Was heißt „frech“?

„Frech“ bedeutet im Ausbildungsmarketing nicht laut, schrill oder provozierend zu sein – sondern kreativ, selbst­ironisch und nahbar. Gelungene „Frechheit“ zeigt sich etwa, wenn ein Unternehmen Pannen aus dem Alltag humorvoll aufbereitet – oder wenn Azubis mit Augenzwinkern erzählen, wie sie den Montagmorgen meistern. Es geht um Persönlichkeit, nicht um Perfektion.

Wer Jugendsprache nachahmt oder sich krampfhaft an Trends hängt, riskiert den ­sogenannten „Cringe-Effekt“: Was cool ­gemeint war, wirkt plötzlich peinlich – und wird gnadenlos kommentiert. Der ­sicherste Weg: Azubis selbst sprechen lassen und ihnen sichtbare Verantwortung geben. Der Kanal @­die.Azubis macht es vor: Content entsteht aus der Perspektive der Lernenden – direkt, nahbar, glaubwürdig.

Geschichten aus dem Ausbildungsalltag

Was überzeugt Jugendliche am meisten? Echte Geschichten aus dem Ausbildungsalltag. Alltagsszenen, persönliche Perspektiven und die Sprache der Auszubildenden erhöhen erfahrungsgemäß die Glaubwürdigkeit. Die IHK Nord Westfalen empfiehlt und unterstützt die aktive Einbindung eigener Azubis in die Kommunikation – etwa über Programme wie die „Ausbildungsbotschafter/innen“ (Einblicke von Gleichaltrigen) und „Azubimojis“, bei dem Auszubildende für einen Tag den Instagram-Kanal der IHK übernehmen und Einblicke in ihren Ausbildungsalltag geben. Beide Angebote sind ausdrücklich auch für kleinere Betriebe ausgelegt.

Entscheidend ist, dass Azubis nicht als Statisten in Marketingfilmen auftreten, sondern echte Mitgestaltung erhalten. Je mehr Freiraum sie bekommen, Themen und Inhalte selbst zu setzen, desto glaubwürdiger und attraktiver wirkt das Gesamtbild – online wie offline. Persönliche Einblicke schaffen Vertrauen, stärken die Glaubwürdigkeit des Betriebs und erhöhen die ­Chance, passende Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen.

Gute Ausbildung spricht sich rum – und wirkt nach außen

Wer junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen will, braucht mehr als nur eine Anzeige. Es geht darum, zu zeigen, was die Ausbildung im eigenen Betrieb besonders macht – ehrlich, greifbar und mit Blick auf die Realität. Denn: Was Azubis erzählen, was Eltern weitergeben und was im Netz steht, prägt den Eindruck, den andere vom Betrieb bekommen. Wer hier klar und glaubwürdig kommuniziert, stärkt nicht nur sein Ausbildungsangebot, sondern auch das Bild des Betriebs insgesamt – und das wirkt sich auch auf andere Bewerbergruppen aus.

Trends im Ausbildungsmarketing

Das Ausbildungsmarketing verändert sich schnell – und wird immer lebendiger. Neue Formate setzen auf Tempo, Beteiligung und echte Einbindung. Besonders gut kommen kurze ­Videos und Mitmachaktionen bei der Zielgruppe an. Plattformen wie TikTok und die Kurzvideofunktion „Reels“ von Instagram ­geben aktuell den Ton an. Ob spontane Clips mit Azubis, kleine – gern auch witzige – Aufgaben („Challenges“) oder kreative Einblicke in den Ausbildungsalltag: Solche Inhalte holen Jugendliche in ihrer Lebenswelt ab und bleiben hängen.

Gleichzeitig gewinnen interaktive Formate an Bedeutung. Dazu zählen etwa digitale Fragerunden mit Azubis (Q&A), virtuelle Betriebsrundgänge oder Abstimmungen in den interaktiven „Story“-Formaten der Plattformen. Sie fördern den Austausch auf Augenhöhe und machen Betriebe für junge Menschen erlebbar. Auch kleine, spielerisch verpackte Wissensformate – etwa zu Berufsbildern oder Abläufen im Betrieb – sind im Kommen. Diese Mini-Lerneinheiten (Micro-Learning) senken Einstiegshürden und vermitteln Wissen unkompliziert im Alltag.

Fazit: Erfolgreiches Azubi-Marketing ist Teamarbeit

Kreatives Ausbildungsmarketing hängt nicht am Budget, sondern am Vertrauen in junge Stimmen. Wer Auszubildende ernst nimmt, sie einbindet und ihre Erfahrungen sichtbar macht, gewinnt mehr als Klicks – nämlich Glaubwürdigkeit. Doch Marketing ist nur der Anfang. „Wenn die Ausbildung die geweckten Erwartungen nicht erfüllt, ist am Ende nichts gewonnen“, warnt Ulrike Friedrich.

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