Es kommt nicht oft vor, dass Daniel Bock ein Machtwort sprechen muss. Überhaupt bevorzugt der 32-Jährige einen anderen Stil, wenn es mit dem Fachkräftenachwuchs gerade mal nicht rund läuft. „Jeder macht Fehler, und unerwünschtes Verhalten hat immer eine Ursache. Darüber kann man reden, nicht von oben herab, sondern sachlich und auf Augenhöhe.“
Bock ist Ausbildungsmeister bei der 3M Deutschland GmbH am Standort Hilden, wo aktuell 23 der deutschlandweit 150 Azubis und dual Studierenden ausgebildet werden. Auch er kennt die typischen Probleme von und mit Auszubildenden: Zuspätkommen, unentschuldigtes Fehlen, Ablenkung durch das Smartphone, Arbeiten ohne Schutzbrille. „Der Start ins Berufsleben ist keine einfache Zeit. Es ist normal, dass die jungen Menschen dabei Anleitung oder auch mal einen deutlicheren Hinweis brauchen“, sagt der Industriemeister, der selbst bei 3M ausgebildet wurde und seitdem für das weltweit agierende Technologieunternehmen tätig ist.
Monatliche Feedbackgespräche als fester Bestandteil
In der Regel reiche ein offenes Gespräch unter vier Augen, um Unstimmigkeiten aus der Welt zu schaffen, erklärt Bock. Auch beim monatlichen Feedbackgespräch, das fester Bestandteil der Ausbildung ist, könnten etwaige Reibungspunkte diskutiert, die gegenseitigen Erwartungen ausgelotet und Ziele für die weitere Zusammenarbeit gesteckt werden. Was läuft gut? Wo gibt es Schwierigkeiten? Und welche Unterstützung braucht es, um die Situation zu verbessern? Im regelmäßigen Austausch ließen sich Konflikte frühzeitig erkennen und angehen, so der Ausbildungsmeister.
Das sei zum Beispiel dann entscheidend, wenn sich ein Azubi für den falschen Ausbildungsberuf entschieden habe. „Jugendliche haben in der Regel nur eine begrenzte Vorstellung davon, was sie in der betrieblichen Realität erwartet. Sind sie auf Dauer unzufrieden, desinteressiert und unmotiviert, weil die gewählte Ausbildung die falsche ist, müssen wir dafür eine Lösung finden“, sagt Bock. Statt einen vielversprechenden Kandidaten zu verlieren, strebe man dann einen Ausbildungswechsel innerhalb des Unternehmens an. „So kann aus einem Industriemechaniker ein Kaufmann oder aus einem Chemielaboranten ein Logistiker werden.“
Durch gutes Onboarding Missverständnisse vermeiden
Doch Fälle wie diese sind im Alltag des 3M-Ausbilders selten, auch Azubis, die sich unangemessen verhalten, sind laut Bock die Ausnahme. Ein Grund dafür sei, dass die Regeln, Werte und Ziele des Unternehmens von Beginn an klar kommuniziert würden. „Alle Auszubildenden und dual Studierenden nehmen zum Einstieg an einer verpflichtenden Einführungswoche, der sogenannten Onboarding-Week teil. Dabei werden sie nicht nur über den genauen Ablauf ihrer Ausbildung informiert, sondern auch über die geltende Betriebsordnung und unsere Unternehmenskultur“, erläutert Bock. Falsche Erwartungen und Missverständnisse könnten dadurch zum großen Teil vermieden werden.
Doch Fakt ist: In vielen Betrieben kommt es zum Streit, weil Auszubildende die Anweisungen ihrer Vorgesetzten ignorieren, sich im Ton vergreifen, die Berufsschule schwänzen oder die Arbeit verweigern. Und nicht selten führen Konflikte wie diese zum Abbruch der Ausbildung. Laut Berufsbildungsbericht 2024 wurden allein 2022 bundesweit 155.325 Ausbildungsverhältnisse vorzeitig gelöst. „Ein Teil der Jugendlichen orientiert sich neu, schließt in einem anderen Betrieb einen Ausbildungsvertrag ab oder macht etwas komplett anderes“, erklärt Sven Uthmann, Ausbildungsberater der IHK Düsseldorf. „Erlernen junge Menschen keinen Beruf, kann das negative Folgen für die berufliche und persönliche Zukunft haben.“
Eine breite Palette an Hilfsangeboten
Pro Jahr suchen fünf bis zehn Unternehmen die Hilfe des Düsseldorfer Ausbildungsberaters, weil sie im Streit mit ihrem Azubi in einer Sackgasse stecken. „In der Regel ist die Situation dann bereits eskaliert und das Ausbildungsziel in Gefahr“, berichtet Uthmann, der genau darin das Dilemma sieht. Private Sorgen, Über- oder Unterforderung, Stress mit Kollegen oder Vorgesetzten, Ärger in der Berufsschule? „Schwierigkeiten sollten aus der Welt geschafft werden, bevor sie sich zu ernsten Konflikten entwickeln, bevor die Emotionen hochkochen und die Fronten verhärten. Je früher die Berater der Kammern in diesen Prozess einbezogen werden, desto besser.“
„Eine Kündigung ist nur die allerletzte Option“, mahnt der IHK-Experte. Oberstes Ziel müsse immer der Abschluss der Ausbildung sein, dafür stehe beiden Seiten eine breite Palette an Hilfsangeboten zur Verfügung. Werde dagegen ein Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst, gingen nicht nur Zeit, Geld und Energie verloren. „Jeder Azubi, der einen Betrieb verlässt, ist auch eine fehlende Fachkraft.“ Hinzu kommt: Nach der Probezeit ist die Kündigung eines Auszubildenden nur bei gravierenden Verfehlungen wie zum Beispiel Diebstahl oder Gewalt möglich. „Das ist Arbeitgebern oft nicht klar“, sagt Uthmann. Er empfiehlt, sich bei Abmahnung, Kündigung oder Vertragsaufhebung juristisch beraten zu lassen.
3M-Ausbildungsmeister Daniel Bock weiß, dass es im Zweifel nicht ohne disziplinarische Maßnahmen geht, plädiert aber dafür, „in Konflikten Mensch zu bleiben“. Viele Probleme ließen sich gemeinsam lösen, „und mit der richtigen Unterstützung kann auch aus einem schwierigen Azubi ein guter und wertvoller Mitarbeiter werden“.
5 Tipps für den Umgang mit „schwierigen“ Azubis
Regeln aufstellen. Verbindliche Regeln wie etwa zum Verhalten im Krankheitsfall oder zu Arbeits- und Pausenzeiten sollten von Beginn an klar kommuniziert und schriftlich festgehalten werden. So lassen sich Missverständnisse und Frust vermeiden.
Gespräch suchen. Vorgesetzte sollten sich regelmäßig mit ihren Azubis über Lernfortschritte, Defizite und Bedürfnisse austauschen, damit sie Krisen erkennen, bevor sie sich zu ernsten Konflikten entwickeln. Wichtig: Fehlverhalten offen, aber sachlich ansprechen und Maßnahmen zur Verbesserung schriftlich formulieren. Bei Minderjährigen die Eltern einbeziehen.
Konsequenzen aufzeigen. Zeichnet sich nach Gesprächen, deutlichen Hinweisen oder Ermahnungen keine Verbesserung ab, sollte eine schriftliche Abmahnung erfolgen. Diese gibt dem Azubi die Chance, sein Verhalten zu ändern, und macht deutlich, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.
Berater einschalten. Ist ein Konflikt festgefahren, kann die Unterstützung einer neutralen Person hilfreich sein. Die Ausbildungsberater der IHK können die Situation unabhängig bewerten und neue Lösungsimpulse geben. Firmenintern sollte der Betriebsrat oder die Auszubildendenvertretung eingebunden werden. Führt das nicht zum Erfolg, kann auf Antrag der Schlichtungsausschuss der Kammer tätig werden, um eine gütliche Einigung herbeizuführen und eine mögliche Klage vor dem Arbeitsgericht abzuwenden.
Kündigung nur als letztes Mittel. Eine Kündigung sollte immer die allerletzte Option sein und ist nach Ablauf der Probezeit für Arbeitgeber nur noch möglich, wenn es einen „wichtigen Grund“ gibt (§22 Berufsbildungsgesetz). Dazu zählen etwa Arbeitsverweigerung, Diebstahl oder körperliche Übergriffe. Sind sich beide Seiten einig, dass die Ausbildung nicht fortgesetzt werden soll, kann sie per Aufhebungsvertrag beendet werden.