Pfiffige Wege gesucht

Pfiffige Wege gesucht
"Mach's wie wir!" Videodreh mit Albina Maliqi © DSA youngstar GmbH
Die Schulen geschlossen, Praktika abgesagt, Ausbildungsmessen verschoben: Da waren und sind neue Wege in der Berufsorientierung gefragt. POSITION hat sich zwei Projekte genauer angeschaut, mit denen Schulabgänger und Betriebe auch in Zeiten der Corona-Pandemie (digital) zusammenfinden. Dabei ist jetzt im Sommer das Suchen und Finden noch nicht vorbei. Freie Ausbildungsplätze werden bis in den Herbst hinein besetzt.
Sylvia Rollmann
Sylvia Rollmann
Freie Journalistin

Die Corona-Krise hat auf dem Ausbildungsmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Von Oktober 2019 bis September 2020 zählte das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in der Gesamtwirtschaft 467.500 neu geschlossene Ausbildungsverträge, 11 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze und die der Bewerber ging zurück – laut Bundesagentur für Arbeit um jeweils mehr als sieben Prozent. Das Problem: Wie kann man junge Menschen auch in Pandemie-Zeiten für eine duale Ausbildung begeistern und mit ausbildungswilligen Unternehmen zusammenbringen? Die Industrie- und Handelskammern gehen neue Wege und haben viele ihrer Präsenzangebote in den virtuellen Raum übertragen. Ob Azubi-Speed-Dating im Netz oder Ausbildungsberatung per Video-Chat – neben rund 80 analogen und etwa 100 hybriden stellen die Kammern mehr als 180 digitale Angebote zur Berufsorientierung und Lehrstellensuche zur Auswahl. Alle sind auf der interaktiven Landkarte unter www.ihk.de/berufsorientierung zu finden und werden dort fortlaufend aktualisiert.

Beispiel: „IHK AusbildungsScouts“. Seit 2015 gehen Azubis bayernweit in Klassenzimmer, um ihre Berufe vorzustellen und aus ihrem betrieblichen Alltag zu erzählen. Nun ist das Gemeinschaftsprojekt der bayerischen IHKs auch online verfügbar. Schüler, Eltern, Lehrer oder auch ganze Klassen können sich kostenfrei und ohne vorherige Anmeldung in die virtuellen Infoveranstaltungen einwählen. Diese werden von der IHK vor Ort organisiert, die Einwahldaten gibt es unter www.ihk-ausbildungsscouts.de. „Die jungen Scouts sind authentisch, berichten offen und ehrlich, das ist das Erfolgsrezept – auch im Netz“, lobt BIHK-Berufsbildungsreferentin Barbara Winbeck das Projekt, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wird. Rund 1.000 Azubis sind als Scouts aktiv und unterstützen ihre Unternehmen dabei, Fachkräfte von morgen zu rekrutieren. „Glaubwürdigere Botschafter für die duale Ausbildung gibt es nicht“, sagt Winbeck.

„Nicht nur in Corona-Zeiten können wir junge Menschen über die sozialen Medien erreichen.“

André Mücke, Geschäftsführer DSA youngstar

Auf die setzt auch das Projekt „Mach’s wie wir!“. Die Hamburger Agentur DSA youngstar hat das Konzept entwickelt, das jungen Menschen die Berufsorientierung unabhängig von der Schule ermöglichen soll. Dafür drehen Azubis 120-sekündige Handy-Videos, die zeigen, was sie in ihrer Ausbildung erleben und warum sie ihren Beruf lieben. Zu sehen sind die Clips auf Instagram und auf der Plattform www.machs-wie-wir.de. Der Clou: Wer das beste Video einsendet, gewinnt die Azubi-Challenge und ein Preisgeld von 5.000 Euro. „,Mach’s wie wir!‘ ist schnelle Information von jungen Leuten für junge Leute, unterhaltsam und genau dort, wo sie sich täglich bewegen – in den sozialen Netzwerken“, erklärt André Mücke, Geschäftsführer von DSA youngstar. Mehr als 70 Videos sind bereits online, fast täglich kommen neue dazu, und das soll so bleiben. Mücke: „Nicht nur in Corona-Zeiten können wir junge Menschen über die sozialen Medien erreichen, auch danach kann unsere Plattform bei der Berufswahl helfen.“

Inzwischen hat die Kampagne viele Unterstützer gefunden, auch innerhalb der IHK-Organisation. „Je mehr Azubis sich beteiligen, desto facettenreicher wird der Einblick in ein und dasselbe Berufsbild“, sagt Dr. Brigitte Scheuerle, Geschäftsführerin Aus- und Weiterbildung der IHK Frankfurt. Zusammen mit anderen Partnern bestärkt die hessische Kammer Unternehmen, ihre Azubis ins Rennen zu schicken. „Gerade für Betriebe, die sich kein groß angelegtes Ausbildungsmarketing leisten können, ist ‚Mach’s wie wir!‘ ein effektives und kostenfreies Werbeinstrument“, betont Scheuerle. Nüchterne Informationen zur Berufsorientierung gebe es im Netz zuhauf. „Pfiffige Videos wie die der Azubi-Influencer können aber das erreichen, was alle wollen: Schulabgänger zu Bewerbern zu machen“, so die Expertin.

Denn auch im Sommer, wenn schon viele Verträge unterzeichnet sind, stehen die Chancen gut, eine Lehrstelle zu ergattern. Freie Plätze würden noch bis in den Herbst hinein besetzt, versichern die Kammern, Bewerbungen seien nach wie vor möglich.

Die Best Practices im Internet

www.ihk-ausbildungsscouts.de
www.machs-wie-wir.de

„Du hast Talent – Nutze es!“ – neue Social-Media-Kampagne

Gerade in Corona-Zeiten fällt die Berufsorientierung schwer. Hier setzt die neue Social-Media-Kampagne von DIHK und IHKs an: Sie will jungen Leuten zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten einer Ausbildung sind, und ihnen Selbstvertrauen in das eigene Können geben. Die Botschaft: „Du hast Talent – nutze es!“ Auf der Kampagnen-Webseite finden Jugendliche Webinare mit Azubi-Scouts, Lehrstellen und viele weitere Infos rund um die Ausbildung.
www.nutze-dein-talent.de

Weitere Angebote der IHKs

Lehrstellenbörse: Die Lehrstellenbörse der IHK bringt Betriebe und junge Menschen zusammen. Unter www.ihk-lehrstellenboerse.de können Unternehmen offene Praktikums- und Ausbildungsplätze einstellen, während Jugendliche bundesweit nach ihrem Wunschberuf und dem passenden Ausbildungsbetrieb suchen können. Für den Start in diesem Jahr sind aktuell rund 45.000 Ausbildungsstellen gelistet, zudem duale Studiengänge und kombinierte Aus- und Weiterbildungen. Außerdem bietet die Plattform Tipps für die Berufswahl und Bewerbung sowie Infos zu den 250 IHK-Ausbildungsberufen. Die Börse gibt es auch als App für das Smartphone.

Interaktive Landkarte: Einen Überblick über die bundesweiten Angebote der IHKs zur Berufsorientierung und Ausbildungsplatzsuche gibt eine neue digitale Landkarte. Schüler und Ausbildungsplatzsuchende, Lehrer und Eltern, Betriebe und Studienzweifler können unter www.ihk.de/berufsorientierung nach digitalen und analogen Angeboten suchen. Diese reichen von der virtuellen Ausbildungsmesse über Video-Tutorials bis hin zu Ausbildungs-Hotlines und Schulprojekten. Die Suche ist regional und bundesweit möglich. Links führen zur Website der jeweiligen Kammer mit zusätzlichen Informationen.

Ausbildungsberatung: Die Ausbildungsberater der IHK unterstützen Unternehmen, Azubis und Lehrstellensuchende in allen Belangen der betrieblichen Bildung – auch in Pandemie-Zeiten. Sie prüfen, ob ein Unternehmen zur Berufsausbildung geeignet ist, informieren über Ausbildungsmöglichkeiten und Berufe, werben neue Ausbildungsbetriebe und -plätze. Sie sind die Ansprechpartner bei Fragen und Problemen, helfen bei der Klärung von Rechten und Pflichten oder dann, wenn Azubis weitervermittelt werden müssen, weil ihr Betrieb geschlossen wurde. Bundesweit sind rund 500 Berater im Einsatz und können über die IHK vor Ort kontaktiert werden. www.ihk.de

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