Herr Lobo, alle reden von Digitalisierung – Sie auch. Was interessiert Sie daran besonders?
Erstens, was sich in den Köpfen der Menschen durch die Digitalisierung verändert. Ich halte diese gesellschaftliche Entwicklung nämlich für ausschlaggebend für viele andere Bereiche. Zweitens: die Wirkung der Digitalisierung auf die Wirtschaft – das was man die digitale Transformation nennt. Und drittens: Was geschieht eigentlich mit der liberalen Demokratie, die ich für unverzichtbar halte, wenn sich Öffentlichkeit so verändert, wie das gegenwärtig der Fall ist.
Sie sagen: „die Wirtschaft“. Kann man denn bei der Digitalisierung die Wirtschaft als Ganzes betrachten? Oder gibt es nicht vielmehr erhebliche Unterschiede zwischen Konzernen auf der einen sowie kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Seite, was den Umgang mit dem digitalen Wandel betrifft?
Mein Eindruck ist ein anderer. Leider kann man nämlich feststellen, dass übergreifend – von Ausnahmen vor allem im B2B-Bereich abgesehen – die Digitalisierung noch nicht so weit durchgedrungen ist, wie das für ein derart hochtechnologisch ausgerichtetes Land sinnvoll wäre.
Welche Konsequenzen hat das?
Der große wirtschaftliche Erfolg vieler Firmen reduziert den Druck, sich zu wandeln. Das ist gefährlich. Denn durch die digitale Transformation lösen sich – manchmal sozusagen über Nacht – die Erfolgsrezepte von gestern ins Nichts auf! Das was heute noch einwandfrei funktioniert, geht plötzlich morgen nicht mehr. Es gibt eine solche Vielzahl von Beispielen dieser Art, dass man gerade jetzt – aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus – den Wandel anschieben müsste!
Welchen Beitrag könnte Ihrer Ansicht nach Aus- und Weiterbildung leisten, um diesen Wandel anzuschieben?
Einen sehr wichtigen. Ich wiederhole gerne meine öffentlich schon geäußerte These: Das Gelingen der digitalen Transformation in Deutschland ist eine Bildungsfrage! Und zwar eine Aus- und Weiterbildungsfrage. Wir müssen jetzt endlich begreifen, dass sich die Zeiten so stark geändert haben, dass man innerhalb weniger Jahre in den verschiedensten Branchen komplett neue Instrumente haben wird, mit denen man dann umgehen können muss.
Das heißt?
Damit man überhaupt Schritt halten kann, braucht man ein Konzept der ständigen Weiterbildung. Leider wird das Thema heute bisweilen so betrachtet, als reiche es, seine Leute mal an einem Wochenende im Juli zur Weiterbildung zu schicken. Das ist fatal. Nichts gegen ein Weiterbildungswochenende im Juli – aber das ist nicht die Art und Weise, wie man in Zeiten der Digitalisierung Bildung verstehen darf. Ich glaube, dass Weiterbildung in den Alltag der Beschäftigten ständig integriert sein muss! Dafür gibt es bereits Konzepte, aber die sind leider noch nicht so weit verbreitet, wie ich mir das wünschen würde.
Letzte Frage: Wie steht’s um Ihre eigene Fortbildung?
Ich integriere Bildung in meinen Alltag – und zwar jeden Tag drei bis sechs Stunden! Ich verfolge auf vielen verschiedenen Kanälen das Geschehen, bewerte neue Informationen nach ihrer Relevanz für mich und andere und ordne sie entsprechend ein. Ich habe, wenn Sie so wollen, ein Gedanken- und Wissensgebäude errichtet, mit verschiedenen Etagen und Gebäudetrakten, in die ich die neuen Informationen einbaue. Das ist nur ein Beispiel, wie man mit ständig neuen Informationen und Weiterentwicklungen umgehen kann.
Interview gekürzt
4. IHK-Fachkongress „Neues Lernen“ in Westerham
Auch das ist „Neues Lernen“: Den 4. IHK-Fachkongress eröffnete kein Mensch, sondern ein Roboter. „Pepper“ sprach die einleitenden Worte, winkte ins Publikum – und war zwei Tage lang gern gesehenes Fotomotiv auf zahlreichen Selfies der Kongressteilnehmenden. Über 200 Personen aus der IHK-Welt, Bildungsinstitutionen und Unternehmen waren in die IHK-Akademie Westerham gekommen, um sich mit der Digitalisierung des Lernens und dem Lernen für die Digitalisierung zu befassen. Veranstalter waren die IHK Akademie München und Oberbayern und die DIHK-Bildungs GmbH, die zusammen mit Experten aus der Praxis Produkte und Dienstleistungen für die Bildungsarbeit der IHKs entwickelt. Dabei setzt sie zunehmend auf Digitalisierung.