„Gamification ist ein Kopföffner“

Was wäre, wenn? – warum diese Frage wichtig ist und wie sich das Spielen positiv auf den Lernerfolg und den Ausbildungsalltag auswirkt, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.
Sabine Schritt
Sabine Schritt
Freie Journalistin

Was passiert im Gehirn, wenn wir spielen?

Beim Spielen werden verschiedene Hirnregionen aktiv. Sich zu überlegen, was möglich wäre, ist ein ganz wichtiger Aspekt des Spielens. Unser Gehirn stellt permanent Hypothesen auf, und wenn sie nicht passen, wird nachjustiert. Diese Fähigkeit unterscheidet uns Menschen von Maschinen.

Sind wir beim Spielen kreativer als im normalen Alltag?

Nicht unbedingt. Wir sind vor allem mutiger. Was Menschen von guten Ideen abhält, ist nicht, dass sie unkreativ sind. Häufig scheitert es daran, dass sie sich nicht trauen, eine Idee auszusprechen. Das Spiel bietet einen geschützten Rahmen zum Ausprobieren, ohne dass Menschen bestraft werden, wenn es schiefgeht.

Welche Bedeutung hat Spielen für unsere Weiterentwicklung?

Spielen ist ein Turbo für komplexe Lernvorgänge. Und das im Wortsinn, denn wenn es in der Komplexität keine einfachen Lösungen gibt, muss man eben etwas herumspielen. Im Spiel können wir unsere Fähigkeiten trainieren, uns in einem Umfeld voller Unsicherheiten und in unübersichtlichen sozialen Systemen zu bewegen.

Welche Spielarten gibt es, und wie wirken Sie auf uns?

Das echte ursprüngliche Spiel ist ziellos und eigentlich ein Synonym für Ausprobieren. Die wichtigsten Spiele in unserem Leben kennen keinen Gewinner. Es geht vielmehr darum, gemeinsam Regeln aufzustellen und diese zu hinterfragen. Diese Komponente ist für die Persönlichkeitsentwicklung enorm wichtig. Es gibt dagegen auch andere Spiele, bei denen es einen Gewinner gibt. Hier sind die Regeln ganz klar und müssen eingehalten werden. Es geht darum, wer die Regeln am besten für sich nutzen und einsetzen kann. Genau daraus ergibt sich dann das, was wir als Punktesammeln, Ranglisten oder Abzeichen kennen.

Henning Beck
Henning Beck studierte Biochemie und ist promovierter Neurowissenschaftler. Er arbeitet als Vortragsredner, Buchautor und Kolumnist, um Erkenntnisse aus der Hirnforschung unterhaltsam zu vermitteln. © MARC FIPPEL FOTOGRAFIE

Warum sind wir für spielerische Elemente so empfänglich?

Wir wollen uns verbessern, wir wollen frei handeln, und wir wollen soziale Anerkennung. Darauf zielt auch Gamification ab. Punkte und Abzeichen dienen dem Streben nach Verbesserung. Im Gehirn wird nur ein Glücksmoment ausgelöst, wenn wir positiv überrascht werden und eine Verbesserung erfahren. Mit einer Rangliste erhalte ich zum Beispiel eine soziale Bestätigung.

Die spielerische Auseinandersetzung mit einem Thema ist ein grundsätzliches Momentum unseres Denkens. Gamification ist ein Kopföffner. Je früher man Spielelemente bei schweren Themen einsetzt, desto motivierter können die Menschen lernen. Je konkreter und nützlicher ein Lernstoff eingeschätzt wird, je schneller er angewendet werden kann, desto besser bleibt er im Gedächtnis.

Wie wirken sich Spielelemente auf den Lernerfolg aus?

Alle Studien zeigen, dass Gamification eine gute Ergänzung in der Wissensvermittlung ist. Grundsätzlich gilt: Je messbarer und quantifizierbarer der Lernstoff ist, desto besser kann ich Spielelemente einsetzen. Nichtsdestotrotz können Spielelemente aber auch hier einen Motivationsschub erzeugen, weil die Schüler dadurch wieder in den Modus des Ausprobierens kommen.

Wie kann ein gehirngerechter Einsatz von Gamification in der Ausbildung aussehen?

Gerade in der Ausbildung und im Corporate Learning muss man sich zuerst immer die Frage stellen, was man erreichen will. Will ich, dass meine Schüler einen Test bestehen, oder will ich Schüler, die in der Zukunft Probleme lösen können, die wir heute noch nicht kennen? Dann darf ich sie nicht in ein festes Lernkorsett zwingen, in dem sie nur auf eine Art funktionieren können. Gamification kann vor allem jungen Menschen dabei helfen, sich durch nötigen, aber trockenen und schweren Lernstoff zu pauken. Spielerische Elemente wie die Portionierung des Lernstoffs in Levels geben Orientierung und Struktur. Dies ist ein großer didaktischer Vorteil, denn je besser die Struktur des Lernstoffs, desto besser bleibt er im Gedächtnis.

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