Fachkräfte sichern – durch Ausbildung im Ausland

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"Die Absolventinnen und Absolventen der Auslandsschulen sind gut gerüstet, als Fach- und Führungskräfte für deutsche Unternehmen im In- und Ausland zu arbeiten." Peter Adrian, DIHK-Präsident © DIHK/Werner Schuering
Ist der Fachkräftemangel hierzulande bereits in vielen Branchen eklatant, ist es für deutsche Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland oftmals noch schwieriger, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Viele Betriebe entscheiden sich deshalb dafür, vor Ort selbst auszubilden. Unterstützung erhalten sie dabei von den Deutschen Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen der Deutschen Wirtschaft (AHKs) sowie von den Deutschen Auslandsschulen.
Mascha Dinter
Mascha Dinter
Freie Journalistin

Der Fachkräftemangel ist nicht nur in Deutschland ein großes Thema. Auch im Ausland gibt es vielerorts einen hohen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, insbesondere in der Industrie. „Es fehlen vor allem gut ausgebildete, technisch versierte Fachkräfte“, sagt Tobias Bolle, Referatsleiter für Berufliche Bildung im Ausland bei der DIHK. Eine Befragung von rund 200 großen deutschen Familienbetrieben mit Niederlassungen in Mittel- und Osteuropa durch die Stiftung Familienunternehmen ergab, dass etwa 90 Prozent von ihnen Probleme haben, Mitarbeiter mit den gesuchten Qualifikationen auf dem örtlichen Arbeitsmarkt zu finden. Die Lösung für viele lautet deshalb, selbst auszubilden – häufig nach deutschem System.

„Viele junge Spanier mit Abitur entscheiden sich lieber für ein Hochschulstudium, weil die spanische Berufsausbildung extrem verschult ist, kaum Praxisbezug bietet und nicht vergütet wird.“

Birgit Zondler, Geschäftsführerin von Geze Iberia

„Das deutsche duale Ausbildungssystem ist sehr beliebt und im Ausland häufig bereits durch die deutschen Unternehmenszentralen bekannt“, sagt Bolle. Das AHK-Netzwerk unterstützt Unternehmen auf der ganzen Welt, die an ausländischen Standorten eine Berufsausbildung nach deutschem Vorbild etablieren möchten. Dabei spielt auch die Kooperation mit den Auslandsschulen eine wichtige Rolle. Weltweit gibt es derzeit 135 Deutsche Auslandsschulen in mehr als 70 Ländern, von denen viele auch über einen berufsbildenden Zweig verfügen. Sie werden von den Kindern deutscher Fachkräfte besucht, die im Ausland arbeiten, sind aber auch attraktive Bildungseinrichtungen für knapp 55.000 einheimische Kinder. „An ihren Standorten im Ausland gehören die Deutschen Auslandsschulen oftmals zu den besten nationalen Schulen“, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. „Die Absolventinnen und Absolventen der Auslandsschulen sind gut gerüstet, als Fach- und Führungskräfte für deutsche Unternehmen im In- und Ausland zu arbeiten.“

Prüfung nach IHK-Standards

Bei dem deutschen Familienunternehmen Geze, das Tür-, Fenster- und Sicherheitstechnik fertigt und dessen Hauptsitz sich in Baden-Württemberg befindet, hat die Ausbildung eine lange Tradition. Jedes Jahr bildet das Unternehmen zwischen 20 und 30 Auszubildende und duale Studenten aus – mittlerweile auch in Spanien, wo der Mangel an Fachkräften hoch und das Ansehen der Berufsausbildung gering ist. „Viele junge Spanier mit Abitur entscheiden sich lieber für ein Hochschulstudium, weil die spanische Berufsausbildung extrem verschult ist, kaum Praxisbezug bietet und nicht vergütet wird“, sagt Birgit Zondler, Geschäftsführerin von Geze Iberia. Darum bietet Geze Iberia in Barcelona bereits seit über sieben Jahren eine duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild für Industriekaufleute an. Dazu gehört, dass die Azubis am Ende eine Abschlussprüfung nach IHK-Standards ablegen.

Die Ausbildung findet in Zusammenarbeit mit der deutschen Auslandsberufsschule FEDA in Barcelona statt, die auch bei der Vermittlung der Bewerber unterstützt. Nach zwei Jahren können Auszubildende mit spanischem Abitur die Ausbildung abschließen oder sie mit einem Bachelorstudium kombinieren, dann verbringen sie insgesamt vier Jahre im Unternehmen. „Manche von ihnen bleiben uns anschließend erhalten, manche wechseln an unsere deutschen Standorte, andere verlassen uns. Das wäre kein Problem, würden die Unternehmen hier in der Region mehr ausbilden und könnten wir auch mal die Absolventen der anderen einstellen“, sagt Zondler. „Es gibt in Spanien viele gut ausgebildete Hochschulabsolventen, aber qualifizierte Facharbeiter fehlen, weil kaum Wert auf die Ausbildung gelegt wird.“

Alle ins Boot holen

Entsprechend groß war die Skepsis unter den Mitarbeitern, als Zondler das duale Ausbildungssystem 2016 am Standort Spanien implementierte. „So ein Prozess funktioniert nur, wenn er von der Geschäftsführung getragen wird und man alle ins Boot holt. Wir haben unserem gesamten Team die Vorteile und das Konzept der dualen Berufsausbildung erläutert, haben einen klaren Ausbildungsplan erstellt, den wir an alle Abteilungen kommuniziert haben und mit Hilfe der spanischen AHK Ausbilderschulungen für die Mitarbeiter angeboten.“ Auch wenn ihnen das System anfangs nicht vertraut war, hätten viele Mitarbeiter schnell Gefallen an ihrer neuen Rolle gefunden: „Es ist ja auch eine schöne Aufgabe, das eigene Wissen weiterzugeben und sich mit jungen Menschen auseinanderzusetzen.“ Indem sie im Rahmen ihrer Ausbildung mehrere Abteilungen kennenlernen, werden die Azubis später zu wichtigen Schnittstellen im Unternehmen: „Sie überblicken alle Organisationsprozesse, sind mit den Strukturen des Mutterkonzerns vertraut und können verantwortungsvolle Positionen übernehmen.“

„Der Erfolgsfaktor der deutschen Ausbildung besteht für mich ganz klar in der Verzahnung von Theorie und Praxis. Wenn ich etwas lerne, muss ich es auch direkt anwenden können.“

Nils Ahmad, Human Resources bei der SanLucar Group in Valencia

Auch Nils Ahmad, verantwortlich für den Bereich Aus- und Weiterbildung bei der internationalen Premium-Obst- und Gemüsemarke SanLucar, setzt auf die duale Ausbildung nach deutschem System. „Unser Umsatz hat sich in den letzten Jahren verdoppelt, wir wollen weiterwachsen – dafür brauchen wir dringend Talente, doch der Fachkräftemangel ist auch hier ein großes Thema“, sagt Ahmad. „Der Erfolgsfaktor der deutschen Ausbildung besteht für mich ganz klar in der Verzahnung von Theorie und Praxis. Wenn ich etwas lerne, muss ich es auch direkt anwenden können.“ Genau wie Geze Iberia arbeitet SanLucar eng mit der Auslandsberufsschule FEDA zusammen. „Weil dort vor fünf Jahren, als ich nach Spanien kam, nur Industrie- und Speditionskaufleute ausgebildet wurden und wir aber wie an unseren deutschen Standorten Kaufleute für Groß- und Außenhandelsmanagement ausbilden wollten, haben wir gemeinsam ein Pilotprojekt für diesen Ausbildungsberuf gestartet.“ Damit die Auszubildenden nicht von Valencia bis nach Madrid für ihren Berufsschulunterricht fahren müssen – die Städte liegen rund 350 Kilometer voneinander entfernt – wurde eine Zweigstelle der Schule in Valencia eingerichtet, die Räume stellt SanLucar zur Verfügung. Mittlerweile haben sich zwölf weitere Unternehmen angeschlossen, darunter Edeka und Tedi.

Unterstützung durch die AHK

Weltkarte AHKs
Duale Berufsbildung im Ausland: An welchen genauen Standorten in verschiedenen Ländern die AHKs ihre Mitglieder mit entsprechenden Dienstleistungen unterstützen, zeigt diese Grafik. Wenn es sich dabei um Hauptstädte handelt, sind sie unterstrichen

Pro Jahr bildet SanLucar am Standort Valencia sechs junge Menschen aus, drei bis vier werden jährlich übernommen. Die meisten von ihnen sprechen nicht nur Spanisch, sondern auch Deutsch und Englisch. Im ersten Jahr lernen sie die Bereiche Einkauf, Verkauf, Logistik und Qualität kennen, im zweiten Jahr findet dann eine Spezialisierung statt, die von den Stärken und Interessen des jeweiligen Azubis abhängt. Die AHK unterstützt auch hier bei der Schulung der Ausbilder und organisiert regelmäßige Ausbilderworkshops für den Erfahrungsaustausch. „Unsere Direktion war sofort überzeugt, weil sie das System aus Deutschland kannte. Aber unseren Mitarbeitern und insbesondere den Führungskräften mussten wir erst einmal aufzeigen, warum es sich lohnt, Zeit in das Anlernen eines Azubis zu investieren, wenn dieser bald darauf in die nächste Abteilung wechselt“, berichtet Ahmad. Doch bei guter Einarbeitung seien die Azubis auch in der kurzen Zeit sehr produktiv. „Und die Abteilungsleiter können bereits schauen, wer gut in ihr Team passen würde.“

Freundeskreis Deutscher Auslandsschulen e. V. (FDA)

Der FDA unterstützt seit 60 Jahren gemeinsam mit führenden Wirtschaftsorganisationen die Deutschen Auslandsschulen und greift den Schulen z. B. bei der Anschaffung von Lehr- und Lernmaterialien unter die Arme. Zuletzt konnte der FDA einzelne Schulen bei der Digitalisierung unterstützen und Schülerinnen und Schüler mit Tablets und Klassenräume mit Beamern, Smartboards oder Dokumentenkameras ausstatten. Der gemeinnützige Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.
Der Freundeskreis Deutscher Auslandsschulen

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