Herr Dr. Heikaus, wie steht es um die Weiterbildung in den Betrieben? Ist die Qualifizierung der Mitarbeiter eher die Regel oder die Ausnahme?
Die Unternehmen sind eine zentrale Säule der Weiterbildung in Deutschland. 88 Prozent sind weiterbildungsaktiv. Erhebungen zufolge gaben sie 2019 mehr als 41 Mrd. Euro für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten aus. Für die große Mehrheit ist das Thema also eine Selbstverständlichkeit.
Wie hat sich die Weiterbildung in den vergangenen Jahren entwickelt?
Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Menschen bilden sich weiter. Zwischen 2010 und 2020 stieg die Beteiligung um 40 Prozent. Sechs von zehn Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren haben 2020 an mindestens einer Maßnahme teilgenommen, das ist ein neuer Rekordwert. Und klar ist: In einer zunehmend digitalen Arbeitswelt wird die Weiterbildung noch an Bedeutung gewinnen. Umfragen zufolge sehen 90 Prozent der Betriebe die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter als zentrale Antwort auf die digitale Transformation.
Wie sehr bestimmt der digitale Wandel die Weiterbildungsnachfrage?
Durch die zunehmende Digitalisierung wird es im Arbeitsleben immer wichtiger, mit Veränderungen umgehen zu können. Branchenübergreifend braucht es digitale Kompetenzen, die durch berufliche Weiterbildung vermittelt werden können – vom Grundlagenwissen bis hin zur Fähigkeit, digitale Produkte selbst zu entwickeln oder betriebliche Transformationsprozesse aktiv mitzugestalten. Auch Kompetenzen in Zusammenhang mit Datenschutz und Sicherheit, im Umgang mit Medien, in der Kommunikation und agilen Zusammenarbeit werden wichtiger. Diese Entwicklung schlägt sich deutlich in der Nachfrage nieder.
Zu den großen Herausforderungen zählt auch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Der Online-Kurs „Elements of AI“ soll die Grundlagen der neuen Technologie vermitteln und Bedenken ausräumen. Wie wird dieses Angebot angenommen?
Weltweit haben sich bisher 750.000 Personen für den Kurs registriert, der auch über IHKs kostenfrei angeboten wird, darunter 46.000 aus Deutschland. Das zeigt, wie groß die Nachfrage nach Grundlagenwissen auf diesem Gebiet ist. „Elements of AI“ ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass digitale Formate den Zugang zu Weiterbildung erleichtern, weil sie jederzeit und von überall zugänglich sind.
Welche Rolle spielen solche Formate in Corona-Zeiten?
Die Pandemie hat das Weiterbildungsgeschehen unter Druck gesetzt. Über Monate hinweg konnten keine Präsenzveranstaltungen stattfinden, in vielen Betrieben ging es um die bloße Existenzsicherung. Dennoch ist der Aufwärtstrend in der Weiterbildung ungebrochen. Viele Maßnahmen fanden trotz Pandemie statt, das ist vor allem den unzähligen neuen digitalen Formaten zu verdanken. Und nicht zu vergessen: Wir alle haben „on the job“ Kompetenzen erworben, weil wir uns zwangsläufig mit den neuen technischen Möglichkeiten beschäftigen mussten. Auch das ist eine Form von Weiterbildung.
Besonders beliebt sind Weiterbildungen im Bereich der Höheren Berufsbildung. Worin sehen Sie die Vorteile – etwa gegenüber einem Studium?
Die Abschlüsse in der Höheren Berufsbildung wurden mit Experten aus der unternehmerischen Praxis entwickelt und bilden den konkreten betrieblichen Bedarf ab. Die Absolventen, also zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, Bilanzbuchhalter oder Betriebswirte, können in einem Unternehmen zügig Verantwortung übernehmen und sind extrem gefragte Fachkräfte. Sie sind noch seltener arbeitslos als Hochschulabsolventen, und das bei Gehältern, die mit denen der akademischen Kollegen mithalten können. In Deutschland haben übrigens rund 2,5 Mio. Erwerbstätige einen solchen Abschluss.
Höherqualifizierende Berufsbildung lohnt sich also in vielfacher Hinsicht…
Unbedingt. Im Rahmen der „DIHK-Erfolgsstudie Weiterbildung“ 2018 gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sich dieser Qualifizierungsweg für sie ausgezahlt hat. Sie sind entweder aufgestiegen, haben einen größeren Verantwortungsbereich erlangt oder sich finanziell verbessert. Auch auf die persönliche Entwicklung hatte die Höhere Berufsbildung einen positiven Effekt. 85 Prozent gaben an, dass der Abschluss ihren Blickwinkel erweitert hat, dass sie Zusammenhänge besser verstehen und souveräner auftreten können. Ebenfalls 85 Prozent würden sich wieder für diesen Weg entscheiden.
Was raten Sie Unternehmen, die das Thema Weiterbildung angehen wollen?
Die meisten Unternehmen haben das Thema längst auf dem Radar und sind diesbezüglich bereits sehr engagiert. Die, die Orientierung brauchen oder sich beraten lassen möchten, sind z. B. bei den Kammern, Verbänden oder beim Arbeitgeber-Service der Arbeitsagenturen gut aufgehoben.
ONLINE-KURS „ELEMENTS OF AI“ ZIEHT ERFOLGSBILANZ
Der kostenlose Online-Kurs „Elements of AI“ zieht zwei Jahre nach seinem Deutschland-Start eine erfolgreiche Bilanz. Danach haben sich hierzulande rund 46.000 Teilnehmer auf der Plattform mit den Grundlagen von Künstlicher Intelligenz (KI) befasst; insgesamt 5.100 Abschlüsse sind erzielt worden.
Für den deutschsprachigen Markt hatte die DIHK-Bildungs-gGmbH die Lizenzen erworben. Über die IHKs und deren Partner kann jeder das Angebot kostenfrei nutzen. Dabei sollen vor allem die IHK-Mitglieder erkennen, wie sich KI bestmöglich im Unternehmen einsetzen lässt.
Die sechs Module können bei völlig freier Zeiteinteilung in 30 bis 60 Stunden online absolviert werden. Unter anderem erfahren die Teilnehmer, was Künstliche Intelligenz ist, wie sie Probleme löst und welche realen Anwendungen es gibt, aber auch, welche Auswirkungen KI voraussichtlich in der Zukunft haben wird.
Auch optisch weiß der Kurs zu gefallen: Für sein Kommunikationsdesign ist Elements of AI kürzlich mit dem „German Design Award 2022“ ausgezeichnet worden.