„Ausbilder werden zu Content-Entwicklern“

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Die Digitalisierung verändert Prozesse, Lernumgebungen und Anforderungsprofile in Unternehmen. Was das für die Ausbildungsbetriebe bedeutet und welche Chancen sich hier ergeben, darüber sprach POSITION mit dem Buchautor und Ausbilder Stefan F. Dietl.
Sabine Schritt
Sabine Schritt
Freie Journalistin und Redakteurin

Herr Dietl, welche Folgen hat die Digitalisierung für die Ausbildung?

Ich sehe vor allem einen Wandel in Richtung IT. Die Verfügbarkeit von Daten, die Auswertung von Daten, die Vernetzungen von Maschinen und Machine-Learning sowie virtuelle Lernumgebungen werden noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Wir brauchen deshalb in allen Ausbildungsberufen mehr IT-Kompetenz, die zusätzlich ausgebildet werden muss. Dies ist quasi der Nährboden für den Wandel in der Ausbildung.

Stefan F. Dietl
Stefan F. Dietl ist seit 2007 globaler Ausbildungsverantwortlicher bei der Festo GmbH & Co KG sowie Buchautor und Referent. Zudem ist er Mitglied in mehreren Bildungsausschüssen und setzt sich seit Jahren für innovative Ausbildungskonzepte ein. Dietl hat einige Bücher veröffentlicht und ist Mitherausgeber von „Ausbildung 4.0“.

Wo sehen Sie die Chancen durch neue Technologien?

Im Bereich Ausbildungsmarketing wird sicherlich einiges möglich werden. Ich denke hier verstärkt an virtuelle Betriebsführungen, Live-Schaltungen ins Klassenzimmer… Besonders stark wird sich die digitale Transformation in der Wissensvermittlung auswirken. Hier sehe ich aber auch die größten Chancen für den Einsatz neuer Technologien.

Ist in den Unternehmen schon etwas in Bewegung in Richtung Ausbildung 4.0?

Ich beobachte zwar verschiedene Ansätze in den Unternehmen. Allerdings glaube ich, dass es bislang noch eine Minderheit ist, die die digitale Transformation wirklich aktiv gestaltet und in den Ausbildungsalltag integriert.

In vielen Unternehmen gibt es noch keine klare Vorstellung davon, welche Folgen die digitale Transformation für die Ausbildung hat. Dabei kann schon mit wenig Aufwand der erste Schritt in die richtige Richtung getan werden. Offen gestanden : Abwarten, was kommt, ist für mich keine Option.

Was bedeuten die Umbrüche durch die digitale Transformation für die Rolle des Ausbilders ?

Er muss nicht nur fachlich fit sein, sondern auch über eine hohe soziale Kompetenz verfügen. Der ideale Ausbilder beschäftigt sich auch mit Psychologie und Didaktik und steht neuen Lehr- und Lernformen offen gegenüber. Ausbilder werden zu Content-Entwicklern. Das heißt, sie müssen in der Lage sein, Lernthemen online abzubilden. Online-Lernplattformen bieten die Möglichkeit, Onlinekurse global an sämtlichen Standorten anzubieten. Es kommen viele neue Aufgaben auf den Ausbilder zu, aber durch die Digitalisierung werden auch wieder Ressourcen frei.

„Bei vielen Themen der Digitalisierung sind die Azubis uns einfach voraus.“

Stefan F. Dietl, globaler Ausbildungsverantwortlicher bei der Festo GmbH & Co KG, Buchautor und Referent

Inwieweit müssen sich Ausbilder von alten Denkmustern verabschieden ?

Wenn ein altes Denkmuster ist : Der Ausbilder weiß alles und kann dem Azubi alles erklären und zeigen, werden wir hier einen massiven Wandel erleben. Die Ausbilder sollten sich auf Augenhöhe mit den Auszubildenden sehen. Sie vermitteln Ihre Lebens- und Berufserfahrung als Fachexperten. Hingegen sind viele Auszubildende in Sachen digitale Medien routinierter. Bei vielen Themen der Digitalisierung sind die Azubis uns einfach voraus. Ich sehe hier große Chancen, wenn wir den jungen Leuten zeigen, wie wichtig ihr Wissen für uns ist.

Muss sich die Ausbildung neu positionieren ?

Die Ausbildung als wichtigen Partner für HR und für die Top-Bereiche in einem Unternehmen zu platzieren, war schon immer mein Credo. Wir machen mehr als Kindergarten im Unternehmen. Es wird immer schwieriger, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Um diesem Trend entgegenzuwirken, gilt es für die Ausbildung, sich wirklich als strategischen Partner zu positionieren – und hierfür reicht nicht nur externes Ausbildungsmarketing. Sondern es muss auch intern gezeigt werden, welchen Beitrag die Ausbildung leistet. Dem Unternehmen gut ausgebildete Junior-Talente zur Verfügung zu stellen, ist unser primäres Ziel. Dabei sind wir genauso ein betriebswirtschaftlicher Faktor wie andere Unternehmensbereiche. Wichtig ist die Verbleibensquote im Unternehmen. Nur so machen wir den „Return on Qualification” messbar. Deswegen übernehmen wir bei Festo alle Ausbildungsabsolventen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Was muss sich an den politischen Rahmenbedingungen ändern ?

Einzelne Berufsbilder sind ja bereits novelliert wie der E-Commerce-Kaufmann, neue Berufe in Bezug auf Digitalisierungsmanagement sind in der Pipeline. Doch es dauert im Moment zwischen zwei und drei Jahre, bis neue Berufsbilder in den Berufsschulen ankommen. Ich plädiere für Pilotberufsschulen, die neue Berufsbilder schneller installieren könnten. Dafür sollten sich die Unternehmen gemeinsam stark machen.

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